© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/11 / 14. Oktober 2011

Das ausgeschlagene Angebot
CSU-Parteitag: Der Niederlage Peter Gauweilers bei der Wahl zum Parteivize gingen hinter den Kulissen hektische Aktivitäten voraus
Hinrich Rohbohm

Die Anspannung ist ihm deutlich anzumerken. Das Tagungspräsidium verkündet die Ergebnisse zur Stellvertreterwahl. „Auf Peter Ramsauer entfielen 440 Stimmen, auf Peter Gauweiler 419“, ertönt es durch das Mikrophon. Kurzes, sogar zufriedenes Nicken bei Gauweiler. „Immerhin“, scheint er sich zu denken. Ein Achtungserfolg gegen einen Kontrahenten, der mit der Unterstützung der kompletten CSU-Funktionärselite rechnen konnte. Auf dem Parteitag der CSU in Nürnberg hatten die Bezirksvorsitzenden ihre Delegierten auf Bundesverkehrsminister Ramsauer eingeschworen. Und die Bundeskanzlerin wurde während ihres Grußwortes nicht müde, ihren Minister mit Lob zu übergießen. So sehr, daß selbst Parteitagsgäste schnell merkten, welches Wahlergebnis sich das Adenauer-Haus wünscht.

Die Basis hingegen hätte sich am liebsten beide Kandidaten als stellvertretende CSU-Vorsitzende gewünscht. „Wenn es zu einer Sammelabstimmung gekommen wäre, hätten die Delegierten definitiv Ramsauer und Gauweiler gewählt“, sagte der frühere CSU-Generalsekretär Thomas Goppel der JUNGEN FREIHEIT. Genau das aber hatte die Parteiführung erfolgreich verhindern können. So blieb die Einzelabstimmung. Und da wäre die Kandidatur Gauweilers gegen einen der anderen drei Bewerber aus Sicht der Parteifunktionäre problematisch. So galten die linksliberale bayerische Justizministerin Beate Merk und die Landtagspräsidentin Barbara Stamm, deren Tochter für die Grünen im Landtag sitzt, schlicht deshalb als gesetzt, weil sie Frauen sind und die CSU gerade erst auf ihrem Parteitag im vergangenen Jahr die Quote beschlossen hatte.

Ebenfalls als gesetzt sah die CSU-Führung Christian Schmidt. Der Fürther kann zwar nicht das Privileg für sich geltend machen, weiblich zu sein. Doch als Franke müsse der Verteidigungsstaatssekretär einen der Stellvertreter-Posten erhalten, damit der Regionalproporz gewahrt bleibe, so die Argumentation der Parteioberen. Damit stand die Kampfabstimmung der Oberbayern Gauweiler und Ramsauer fest. „Am Freitag sah es noch danach aus, daß Gauweiler das Rennen machen würde“, gibt der Bundestagsabgeordnete Norbert Geis die Stimmung unter den Delegierten wieder.

Mit einer wie erwartet Euro-kritischen Rede kann Gauweiler gleich zu Beginn des Parteitags punkten, mahnt die Einhaltung der Euro-Stabilitätskriterien an. „Wir müssen das Angela Merkel im Chor sagen, damit sie es auch hört“, ruft der 62jährige unter dem Beifall der Delegierten. Daß er dabei eine andere Meinung vertrete als der CSU-Europapolitiker Manfred Weber sei für ihn kein Problem. „Der Manfred und der Gauweiler haben sich noch nie gesagt, daß wir einander unsere Fressen nicht mehr sehen können“, feuert Gauweiler noch eine Salve in Richtung des angeschlagenen Kanzlerin-Vertrauten Ronald Pofalla.

Angela Merkel selbst nutzt ihre Rede bei der Schwesterpartei, um für ihren Verkehrsminister kräftig die Werbetrommel zu rühren und Gauweiler mit aller Macht zu verhindern. Ein Sieg des konservativen Aushängeschildes der Union wäre auch eine Niederlage für Merkel, unkt man im Foyer der Messehalle, wo die Delegierten abends bei Brezeln und Bier das Fußball-Länderspiel Deutschland gegen die Türkei verfolgen. „Nun setz dich mal zehn Minuten zu uns und schau dir mit Fußball an“, ermuntert ein CSU-Mann den gerade vor einer Kamera posierenden Peter Ramsauer. Es folgt nur ein dünnes Lächeln des sichtlich angespannten Ministers. „Im Moment denke ich an alles mögliche, nur nicht an Fußball“, entgegnet er, winkt ab und geht. Gauweiler könnte wirklich siegen, raunt man sich daraufhin unter dessen Sympathisanten zu.

Derweil wächst die Nervosität auf der Gegenseite. „Der bringt alle unsere Absprachen durcheinander“, empört sich eine Delegierte der Frauen-Union, die in Gauweiler einen „Mann von gestern“ sieht. Zahlreiche Delegierte machen jedoch keinen Hehl daraus, daß sie am liebsten Gauweiler und Ramsauer im Doppelpack wählen wollen. Nur mit Mühe gelingt es den Bezirksvorsitzenden bis zur Abstimmung am Samstag, ihre Delegierten mehrheitlich auf Einzelabstimmung und Ramsauer einzuschwören.

Die Drohgebärden ähneln denen des Vorjahres. Damals hieß es, die – eigentlich ungeliebte – Frauenquote müsse durchgesetzt werden, damit Ministerpräsident Horst Seehofer nicht beschädigt werde. Die Delegierten folgten knapp und widerwillig, aber mit Mehrheit. Diesmal lautet die Einschwörungsformel: Ramsauer darf als Verkehrsminister nicht beschädigt werden. Die Delegierten folgen erneut widerwillig, erneut mit knapper Mehrheit.

„Wir schimpfen immer über Leute wie Putin, weil sie die Demokratie mit Füßen treten, aber wenn ich das hier heute wieder sehe, wie ist es denn mit unserer eigenen Demokratie bestellt?“ fragt sich eine Frau aus dem Landesvorstand der Senioren-Union. Das mit Ramsauer und Gauweiler ausgerechnet die besten Köpfe gegeneinander antreten müssen, während den anderen drei Kandidaten ein Freifahrtschein erteilt werde, sei für sie keine „echte Wahl“.

Peter Gauweiler selbst hat sich hingegen aus dem Streit um den Abstimmungsmodus herausgehalten, hält nichts von taktischen Spielereien. „Die beste Taktik ist es, gar keine Taktik zu haben“, sagte er der JF. Mit seiner Kandidatur habe er der Partei ein Angebot machen wollen. Das hat diese nun ausgeschlagen.

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