© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/11 / 14. Oktober 2011

Lebensadern der Hauptstadt im Visier
Linksextremismus: Brandanschläge auf Bahnanlagen
Felix Krautkrämer

Sie kommen nachts, zwischen zwei und drei Uhr, dann, wenn der öffentliche Nah- und Regionalverkehr in der Hauptstadt für wenige Stunden pausiert. Im Schutze der Dunkelheit schleichen sie sich an die Bahnanlagen. Alles dauert nur wenige Minuten: Benzin als Brandbeschleuniger, ein selbstgebauter Zünder aus Materialien vom nächsten Bau- oder Supermarkt und kurze Zeit später brennt ein Kabelstrang. Noch bevor die ersten Signale der Bahn ausfallen, Techniker losgeschickt werden und die Polizei informiert ist, sind die Täter schon wieder verschwunden.

Zum wiederholten Mal haben linksextreme Brandstifter Anfang der Woche gezielt die Deutsche Bahn angegriffen. Unbekannte hatten in der Nacht zu Montag an einer Bahnstrecke westlich von Berlin die Abdeckung eines Kabelschachtes entfernt und anschließend die Kabel in Brand gesteckt. Infolge des Anschlags kam es zu erheblichen Beeinträchtigungen im Regionalverkehr zwischen Brandenburg und Berlin. Auch der Fernverkehr war betroffen, darunter die Strecke zwischen Berlin und Hamburg.

Am morgen dann bekannte sich eine nach dem isländischen Vulkan „Hekla“ benannte Gruppe auf der linksextremen Internetseite „Indymedia Linksunten“ zu der Tat. Man habe ein Zeichen gegen die Beteiligung der Bundeswehr am Krieg in Afghanistan setzen wollen, hieß es in der Erklärung. „Deutsche Soldaten morden weltweit. Seit zehn Jahren führt die Bundeswehr Krieg in Afghanistan – ohne Zustimmung der Bevölkerung. Anlaß genug, daß heute nichts so richtig funktioniert. Wir sorgten heute morgen für eine Entschleunigung der Hauptstadt als Global Player des Rüstungsexportes“, versuchte die Gruppe ihr Vorgehen zu begründen. Gleichzeitig riefen die Täter zu weiteren Sabotageakten in deutschen und europäischen Großstädten auf: „Die Funktionsfähigkeit der Metropolen und die Kriegshauptstadt Berlin bis zum Stillstand sabotieren – bis kein Kriegsgeschäft mehr getätigt wird, kein Befehl mehr erteilt wird, kein Geld mehr mit dem Tod oder der Bedrohung von Menschen verdient werden kann!“

Offenbar hatten die Linksextremisten noch weitere Brandsätze präpariert, die aus unbekannten Gründen nicht zündeten, deren Wirkung aber wesentlich verheerender hätte sein können. Montag mittag entdeckte ein Mittarbeiter der Bahn in einer Tunnelausfahrt des Berliner Hauptbahnhofs an einem Transformatorenhäuschen mehrere mit Benzin gefüllte Plastikflaschen, die mit einem Zünder verbunden waren. Bundespolizisten gelang es, den Brandsatz zu entschärfen und sicherzustellen. Wäre der Anschlag geglückt, hätte Berlin wohl ein massives Verkehrschaos gedroht, da auch eine der Hauptverkehrslinie der S-Bahn durch den Hauptbahnhof führt. Am Dienstag dann die nächsten Funde: An einem Kabelstrang im Südosten Berlins wurden mehrere Brandsätze entdeckt, ein weiterer in der Nähe des Hauptbahnhofes.

FDP warnt davor, die Täter zu radikalisieren

Der Staatsschutz des Landeskriminalamts prüft nun, ob eine Verbindung zu früheren Brandanschlägen besteht. Denn erst im Mai hatte eine linksextreme Gruppe namens „Das Grollen des Eyjafjallajökull“ (auch Eyjafjallajökull ist ein Vulkan auf Island) am Berliner Ostkreuz mehrere Kabel der S-Bahn in Brand gesetzt und so weite Teile des S-Bahn-Verkehrs lahmgelegt (JF 22/11). Im November 2010 sorgten linksextreme Atomkraftgegner mit einem ähnlichen Brandanschlag ebenfalls für massive Beeinträchtigungen im öffentlichen Nahverkehr (JF 46/10).

Trotz der Skrupellosigkeit der Täter fielen die politischen Reaktionen auf die jüngsten Anschläge und Anschlagsversuche geteilt aus: Während Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) von einem „feigen Angriff“ auf die Gesellschaft sprach und den Verantwortlichen drohte, sie würden mit „aller Härte verfolgt und zur Rechenschaft gezogen“, rief die FDP im Bundestag dazu auf, Linksextremismus besonnen zu bekämpfen. Es dürfe „nicht dazu kommen, daß die Politik durch eine Überreaktion ihrerseits zu einer Radikalisierung der Täter beiträgt“, mahnten die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Patrick Döring und Gisela Piltz.

Anleitungen für Anschläge

Die Deutsche Bahn ist unter Linksextremisten ein beliebtes Ziel. Ob Brandanschläge auf Fahrzeuge oder auf Gleis- und Signalanlagen: Immer wieder gerät das Unternehmen ins Visier militanter Linksextremisten. Detaillierte Anleitungen für ihre Sabotageakte finden die Terroristen in einschlägigen Szenepublikationen wie Prisma, Bauwas! oder Interim (JF 23/11).

Neben Tips und Ratschlägen für ein „klandestines“ Vorgehen bieten diese auch konkrete Baupläne für Brandsätze mit Zeitzündern. Prisma liefert zudem Anleitungen, wie Gleise blockiert, Schienen unterhöhlt und Oberleitungen kurzgeschlossen werden. Auch das Umlegen von Strommasten wird beschrieben. Polizei und Verfassungs-schutz sind die Publikationen bekannt – doch gegen ihre Verbreitung sind sie nahezu machtlos.  Vor allem das Internet, so das Bundesamt für Verfassungs-schutz, habe es Linksextremisten und sympathisierenden Trittbrettfahrern leichter gemacht, an die zur Ausführung der Anschläge notwendigen Informationen zu kommen.

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