© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/11 / 07. Oktober 2011

Wir sind alle Reichsbürger
Dr. h. c. jur. Wolfgang Gerhard Günter Ebel ist der Reichskanzler des Staates „2tes Deutsches Reich“ – behauptet er zumindest
Toni Roidl

Mal ehrlich: Welcher Konservative träumt in sentimentalen Momenten nicht von den glücklichen Friedensjahren des Deutschen Reiches vor 1914? Ohne Islamkonferenzen, Unterschichtenfernsehen und Guido Westerwelle? „Deutsches Reich“ klingt richtig sexy – Be-Er-De kein bißchen. Die gute Nachricht für diese Träumer: Das Deutsche Reich lebt; wir sind alle Reichsbürger! Angela Merkel – wer ist das? Der Reichskanzler heißt Wolfgang Ebel. Dr. h. c. jur., um genau zu sein. Der 72jährige Ebel lebt in Berlin-Zehlendorf in einer „provisorischen Amtswohnung“. Denn diese ist der „provisorische Amtssitz der Kommissarischen Reichsregierung“. Von hier aus sendet Ebel Kommuniqués oder Protestnoten an die Regierungen von Frankreich, Rußland, Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika.

Früher war der Kanzler Beamter der Deutschen Reichsbahn in West-Berlin. In den Wirren des Reichsbahnerstreiks von 1980 sollte Fahrdienstleiter Ebel plötzlich die Rechtsnachfolge des früheren Reichsbahnministers Dorpmüller antreten. So habe es ihm der US-Kommissar John Kornblum befohlen, erklärt Ebel, und das habe er schriftlich. Seitdem, so Ebel, ist er eingesetztes Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches.

Kernstück von Ebels Legitimation ist die bekannte These, daß das Deutsche Reich völkerrechtlich fortbestehe und die BRD nicht mit diesem identisch sei. Die Anhänger dieser These berufen sich auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1973. Darin heißt es unter anderem: „Das Deutsche Reich existiert fort, (...) ist allerdings als Gesamtstaat mangels institutionalisierter Organe selbst nicht handlungsfähig.“

Die Richter hatten sich auf die innerdeutsche Teilung bezogen, um darauf hinzuweisen, daß sich die BRD für alle Deutschen verantwortlich sah, aber nur für die Westzone ein demokratisches Grundgesetz einführen konnte. Ebel interpretiert das ganz anders. Er betrachtet sich als exterritorialen Reichsvertreter, für den die Gesetze der BRD keine Verbindlichkeit besitzen.

Das sehen die bundesdeutschen Gerichte allerdings nicht so und beschieden ihm zum Beispiel: „Seine Auffassung ist schlicht wirklichkeitsfremd. Selbstverständlich hat auch der Antragsteller die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu achten und sich an die Gesetze zu halten.“ Schlecht für den Reichskanzler, der meint, daß die fremde Bundesrepublik nicht berechtigt sei, von ihm als souveränem Reichsbürger Steuern zu verlangen oder sich gar zu erdreisten, Bußgelder zu erheben.

Doch dem Deutschen Reich drohte noch mehr Ungemach: Die Mitglieder seiner Regierung zerstritten sich und gründeten eigene Reichsvertretungen. So existiert ein bunter Strauß von Reichsministerien, Reichstagen, Reichsbehörden und Reichsgerichten. Man ist sich nicht einmal einig, wie weit das Deutsche Reich eigentlich reicht. Einige proklamieren die Grenzen von 1914, andere die von 1937.

Zur Finanzierung des Reichshaushaltes erheben die Exilregierungen Reichssteuern oder Gebühren für Reichspersonalausweise, Reichsführerscheine oder Reichsbaugenehmigungen. Die feindselige BRD findet das nicht immer komisch: Das Bundesverwaltungsamt leitete bereits etliche Verfahren wegen Amtsanmaßung und Mißbrauch von Titeln ein, was die diplomatischen Beziehungen zum Deutschen Reich nachhaltig trübte.

Sogar der Verfassungsschutz provoziert das Deutsche Reich durch feindliche Agententätigkeit. Den Verfassungsschützern kommt das alles irgendwie „revisionistisch“ vor. Ob man ernsthaft fürchtet, Ebel könnte die Bundesregierung ablösen? Für manch einen Kritiker Angela Merkels wäre das gar keine schlimme Vorstellung.

www.reichskanzleramt.de

Foto: Der Reichskanzler vor dem Reichstag: Am 8. Mai 1985 übernahm Ebel zunächst die Geschäfte des kommissarischen Reichsgerichtspräsidenten

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