© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/11 / 07. Oktober 2011

Internetverbot für Raubkopierer
CDU-Bundestagsabgeordneter Siegfried Kauder plant Gesetz nach französischem und italienischem Vorbild
Toni Roidl

Wenn Kinder zu lange vor der Playstation sitzen, nimmt Vati sie ihnen einfach weg. So stellt sich der Abgeordnete Siegfried Kauder von der CDU das auch mit den Internetbenutzern vor. Kauder will Verletzer des Urheberrechts mit Internetsperre bestrafen.

Mitte November werde der CDU-Rechtsexperte einen Gesetzesentwurf vorlegen, kündigte er auf einem parlamentarischen Abend in Berlin an. Nach der amerikanischen Maxime „Three Strikes and you’re out!“ (drei Treffer, und du bist draußen) soll Raubkopierern beim dritten illegalen Download der Internetzugang gesperrt werden.

Kauder ließ sich dazu von den Franzosen inspirieren: Vor zwei Jahren wurde dort nach monatelangem Streit ein entsprechendes Gesetz verabschiedet, obwohl das Verfassungsgericht erhebliche Bedenken äußerte. In Frankreich droht Copyright-Sündern nun eine Internetsperre von bis zu einem Jahr.

Kauder findet das „ein bißchen deftig“. Er ist gnädiger: Mit „einigen Wochen“ will er es bei der ersten Verfehlung belassen. Überhaupt sei seine Sperre anstelle der teuren Abmahnungen durch Anwälte der Musik- und Filmindustrie „noch das mildere Mittel“.

Zu Kauders Ärger sehen seine Politikerkollegen das noch nicht ein. Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums nannte seinen Vorschlag, „verfassungsrechtlich mindestens bedenklich“. Die „Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft“ wies darauf hin, daß der CDU/CSU-FDP-Koalitionsvertrag Internetsperren bei Urheberrechtsverletzungen ausschließe.

Kauder grantelte zurück, der Koalitionsvertrag sei für ihn nicht in Stein gemeißelt. Darauf erhöhte der Sprecher von Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger die Droh-Dosis und nannte die Sperre nun „nach geltenden Datenschutzvorschriften unzulässig und verfassungsrechtlich äußerst bedenklich“.

Das ist aber nicht das einzige Problem. Kauder hat noch nicht erklärt, wie er die Internetsperre eigentlich umsetzen will. Die DSL-Verbindung deaktivieren – und dann? Den UMTS-Stick beschlagnahmen? Den Zutritt zum Internetcafé verbieten? Das Einloggen in offene fremde WLAN-Netze unterbinden? Die Internetgemeinschaft biegt sich vor Lachen über so viel technisches Unverständnis: „Hier spricht die Internet-Polizei! Surfen Sie mal bitte rechts ran!“ spotten sie auf Twitter über den „Schauder-Kauder“.

Davon abgesehen ist unklar, was passieren soll, wenn der Delinquent sein Delikt nicht am eigenen Rechner zu Hause, sondern am Arbeitsplatz oder am Netzzugang der Wohngemeinschaft begangen hat. Soll die ganze Familie offline gehen, wenn Sohnemann illegal Musik herunterlädt? Kauder kleinlaut gegenüber Focus online: „Ich räume ein, daß die Umsetzung nicht so einfach ist.“ Nicht so einfach? Eher unrealistisch!

Wie kommt der 62jährige eigentlich auf dieses schmale Brett? Kauder ist nicht nur CDU-Rechtsexperte, sondern auch Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände e.V. (BDMV). Die Lobbyverbände der Industrie klatschen ihm laut Beifall. Die Geschäftsführer der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) jubeln: „Das entspricht unserem Wunsch nach mehr Dialog zwischen Politik und den Verwertungsgesellschaften.“ „Dialog“ ist schön gesagt.

Die Piratenpartei freut sich indes über die kostenlose Wahlwerbung. Der Vorsitzende der bayerischen Piraten sagt: „Es ist bedenklich, daß hoheitliche Aufgaben in die Hände privater Konzerne gelegt werden sollen.“ Die Piraten verweisen darauf, daß durch das Gesetz den Internetprovidern polizeiliche Ermittlungsarbeit und Beweissicherung übertragen würde.

Womöglich wäre Kauder selbst das erste Opfer seines wackelig gezimmerten Gesetzes: Ein deutscher Blogger schaute sich, durch Medienberichte neugierig geworden, Kauders eigene Netzseite www.siegfriedkauder.de an – und entdeckte darauf mehrere urheberrechtlich geschützte Bilder der Foto-Plattform Panoramio ohne Quellenangabe!

Genüßlich sprechen Journalisten bereits vom „Kaudergate“. Der CDU erscheint das Kauderwelsch zumindest „nicht hilfereich“: Parteikollegen wie Peter Altmaier betonen, Kauders Vorschlag sei „rein persönlich und nicht CDU/CSU-Position!“

Bei aller Lächerlichkeit sollte die Öffentlichkeit dennoch alarmiert sein! In Italien wird aktuell an einem ähnlichen Gesetz geschraubt. Danach sollen die Internetanbieter des Landes zur Sperrung von verdächtigen Personen sowie zum Führen von „schwarzen Listen“ verpflichtet werden. Bei Markenrechtsverletzungen sollen Internetanschlüsse ohne richterlichen Beschluß gesperrt werden! Hintergrund: Der italienische Staat ist seit langem unter internationalem Druck, weil er Markenschutzabkommen nur nachlässig – italienisch eben – umsetzt.

Foto: Familienmitglieder: Wird allen der Internetzugang gesperrt, nur weil der Sohn Musik heruntergeladen hat?

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen