© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/11 / 07. Oktober 2011

Blick in die Medien
ZDF: Ritter der Schwafelrunde
Toni Roidl

Seit 1968 lädt das ZDF alle Jahre wieder zu den Mainzer Tagen der Fernsehkritik – und nun das: Der Sender hat die Lerchenbergpredigt mit den gemütlichen Kaffeepausen für 2012 abgesagt!

Intendant Markus Schächter ist aufgefallen, daß „die Mainzer Tage nicht mehr zeitgemäß“ seien: „Insgesamt müssen wir festhalten, daß die Veranstaltung Gefahr läuft, den Charakter eines wichtigen Branchentreffs so nicht mehr zu halten.“ Ab 2013 soll das Treffen „in deutlich veränderter Form“ fortgesetzt „oder durch eine andere Veranstaltungsform ersetzt“ werden. Eine Rückkehr der Mainzer Tage ist keinesfalls gewiß.

Dabei wäre angesichts dessen, was das Fernsehen – gerade vom Lerchenberg – so alles sendet, deutliche Selbstkritik dringend angebracht. Für acht Milliarden Euro dürften die Zuschauer in der „ersten Reihe“ schon etwas Reflexion erwarten. Stattdessen schwelgten die Teilnehmer lieber in Selbstbeweihräucherung als „Leitmedium“. Fernsehkritik? Fehlanzeige!

Da bramarbasierte Moderator Harald Lesch („Abenteuer Forschung“) während der 44. Mainzer Tage über die „verläßlichen Bastionen“ von Tagesschau und Heute-Journal und degradierte das Internet kurzerhand zum „Unternet“! (Daß die Tagesschau während der Unruhen in Ägypten einen Internet-Blogger um Stellungnahme bat, vergaß Lesch zu erwähnen.)

Während die Teilnehmer angstvoll über eine Infektion ihres „Qualitätsjournalismus“ mit dem fiesen Unternet diskutierten, erklärte der von der Tagesschau interviewte Blogger den staunenden Damen und Herren, daß das Netz überhaupt kein Medium im klassischen Sinne, sondern eine Infrastruktur ist. Bei soviel Kompetenz ist es kaum verwunderlich, daß der Facebook-Eintrag der Mainzer Tage ganze vier Freunde hat.

Schächter kündigte an, nun „in aller Ruhe über die Weiterentwicklung nachzudenken“. Viel Erfolg!

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