© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/11 / 07. Oktober 2011

Ein Leben für Preußen
Nachruf: Zum Tod von Wolfgang Stribrny
Harald Seubert

Er war Preuße sans phrase, ohne Umschweife, als Historiker, als überzeugter Monarchist und zugleich als Persönlichkeit. Die Bescheidenheit, Geradlinigkeit, humorvolle Liebenswürdigkeit gaben Wolfgang Stribrnys Haltung ihre große Überzeugungskraft.

1935 wurde Stribrny als Sohn eines Militärarztes in Gelnhausen in Hessen geboren, aufgewachsen ist er in Frankfurt an der Oder, wo die Familie bis 1945 lebte. Später wurde sie im hessischen Sobernheim heimisch. Nach dem Studium der Geschichte, Geographie und Politischen Wissenschaften, das er mit einer zum Standardwerk gewordenen Dissertation über die Rußlandpolitik Friedrichs des Großen abschloß, wirkte er zunächst von 1964 bis 1974 sehr erfolgreich als Studienleiter an der Evangelischen Akademie Hofgeismar. Große Persönlichkeiten konnte er hier versammeln, wichtige Debatten anstoßen. Seit 1974 lehrte er bis zu seiner Emeritierung als Professor in Flensburg.

In zahlreichen Ehrenämtern, die er mit Hingabe ausübte und denen er durch seine Persönlichkeit Stil und menschliches Format gab, setzte er sich für Preußen ein: von 1988 bis 1996 als Vorsitzender des Vereins Tradition und Leben. Das Preußeninstitut/Zollernkreis hob er zusammen mit Hans-Joachim Schoeps aus der Taufe und blieb in ihm federführend als Sprecher (seit 1969), lange Jahre als Erster Vorsitzender und bis 2010 als Präsident tätig.

Unvergessen ist Stribrnys fulminantes Gedächtnis, seine umfassende Kenntnis preußischer und deutscher Geschichte und seine wunderbare Fähigkeit, als Cicerone die preußische Vergangenheit wiederaufleben zu lassen. Er war in seiner Generation der Historiker des Hauses Hohenzollern. Stribrny beschritt in seiner Forschung niemals ausgetretene Pfade. Seine aus reichen Archivstudien komponierten Aufsätze und Monographien hoben wenig bekannte Aspekte preußischer Geschichte ans Licht. Sie zeichnen sich durch Klarheit aus, durch Sachlichkeit, aber auch durch eine große narrative Begabung, die aus Geschichten Geschichte sichtbar zu machen wußte. Dabei war ihm Preußen die „Idee mit Zukunft“, es setzte Normen, die auch für ein republikanisches Gemeinwesen unverzichtbar sind. Preußens Rehabilitierung war sein Lebensanliegen. Mehr noch: Immer wieder hielt Stribrny schlagende Plädoyers für die Wiedererrichtung eines Bundeslandes Preußen.

Wolfgang Stribrny war dem Hause Hohenzollern eng verbunden. Und er war ein zutiefst gläubiger Mann. Rationalität, Toleranz und pietistische Beseelung machten Preußen in seinem Verständnis aus. All das lebte er wie kein zweiter. In seiner Person wurde das alte Ethos Preußens aufs schönste lebendig. Am 29. September ist er im siebenundsiebzigsten Lebensjahr gestorben.

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