© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/11 / 07. Oktober 2011

Tür an Tür
Türkei: Karikaturist Bahadir Baruter nach blasphemischer Zeichnung angeklagt
Richard Stoltz

Wegen einer in der Satire-Zeitschrift Penguen veröffentlichten Zeichnung, die „die religiösen Gefühle eines Teiles des Volkes verletzt“, hat die Staatsanwaltschaft in Istanbul Anklage gegen den türkischen Karikaturisten Bahadir Baruter erhoben. Die Karikatur zeigt einen Vorbeter in einer Moschee mit einigen Gläubigen. Einer der Männer telefoniert gerade mit dem lieben Gott, den er mit der überkonfessionellen Bezeichnung „Tanri“ anredet, nicht „Allah“: „Kann ich den letzten Teil des Gebets weglassen, ich habe auch noch andere Dinge zu erledigen … Vielen Dank, mein Gott! Schönen guten Tag noch …“ In den Arabesken, die die Wand der Moschee zieren, hat der Zeichner die Botschaft versteckt: „Allah yok, Din yalan“ – „Es gibt keinen Gott, Religion ist Lüge.“

Wie das Nachrichtenportal „Habertürk“ vermeldet, müsse man die Frage stellen, inwieweit die immer religiöser werdende Türkei zugleich intoleranter werde gegenüber Andersgläubigen und vor allem gegen Nichtgläubige. Seit einigen Jahren finde eine spürbare Islamisierung der Gesellschaft statt, kräftig gefördert durch die Regierung Erdogans. „Habertürk“: „Entsprechend beunruhigend ist die Entwicklung der Sichtweisen in der Gesellschaft – neueren Umfragen zufolge wollen die meisten Türken nicht neben einem Juden oder Christen wohnen, geschweige denn Atheisten.“

Ebenfalls in der vergangenen Woche wurde bekannt, daß die Europäische Kommission ihre Tore für türkische Beamte öffnet. Bis zu acht türkische Staatsbeamte aus der Türkei sollen künftig als nationale Experten in den Generaldirektionen der Kommission arbeiten. Die Einschläge kommen näher.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen