© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/11 / 07. Oktober 2011

„Die neuen Hilfen werden die Lage verschärfen“
Euro-Rettungsschirm: Die Abweichler der Regierungsparteien trotzen der Kritik
Michael Martin

Peter Altmaier, der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, gab sich moderat. „Natürlich“, so sagte er am Tag vor der Abstimmung über den Euro-Rettungsschirm im Bundestag generös, müsse „eine Demokratie andere Meinungen aushalten“. Und: „Wir üben keinen Druck aus. Die Abgeordneten sind nur ihren Gewissen verpflichtet.“ Angesichts der Berichte, die Unions-Politiker Wolfgang Bosbach anschließend ablieferte, dürften die Äußerungen Altmaiers nicht mehr als Lippenbekenntnisse gewesen sein.

Bei der Abstimmung über die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms haben neben den Abgeordneten der Linkspartei auch einige Parlamentarier der Regierungsparteien sowie ein Abgeordneter der SPD mit Nein gestimmt. Zu den Abweichlern gehörte neben Wolfgang Bosbach, Klaus-Peter Willsch (beide CDU) und dem CSU-Politiker Peter Gauweiler auch der wohl prominenteste Gegner der Griechenland-Hilfe, der FDP-Rebell Frank Schäffler. Viele „Abweichler“ berichteten anschließend, auf sie sei Druck ausgeübt worden. Unions-Mann Bosbach zieht unter dem Eindruck dieser Erfahrungen nun sogar einen Rückzug aus der Politik in Erwägung.

Der hessische CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Willsch kritisierte in seiner Rede vor dem Parlament die Regierungspolitik scharf und rief alle Parlamentarier dazu auf, die Rettungsschirmpolitik mit Blick auf die damit verbundenen Lasten für künftige Generationen abzulehnen. Willsch hatte außerdem vor dauerhaften Schäden für Europa gewarnt. Denn immer mehr Bürger würden sich von der Europäischen Union abwenden, wenn wie geplant immer mehr Geld verbraucht werde, wie Willsch sagte. „Wir leihen das Geld von unseren Kindern und Enkeln – wir haben es nicht“, sagte er. „Ich halte es für einen ökonomisch grundfalschen Weg, der gegen meine Überzeugungen geht.“

Noch schärfer ging der FDP-Politiker Frank Schäffler mit der Politik der Bundesregierung ins Gericht. „Uns wurde im Deutschen Bundestag versprochen, daß die Griechenland-Hilfe eine einmalige Hilfe ist, die absolute Ausnahme und sonst nichts. Die Tinte war noch nicht trocken, schon wurde einen Tag später in Brüssel der jetzige Schuldenschirm EFSF vereinbart. Als der Deutsche Bundestag das sogenannte Euro-Rettungspaket verabschiedete, wurde hier erklärt, daß ohnehin niemand unter diesen Schirm flüchten wird. Bereits wenige Monate später drängte sich erst Irland, dann Portugal und bald auch Griechenland unter den Schirm“, erklärte Schäffler unter lautstarken Zwischenrufen aus den Regierungsfraktionen.

Der „FDP-Rebell“, der mittlerweile die nötigen Unterstützungsunterschriften für die geplante parteiinterne Mitgliederbefragung zusammen hat, kritisierte vor allem die Politik Griechenlands: „Allen Bekundungen zum Trotz hat bereits die erste Griechenland-Hilfe die Situation für Griechenland nicht entschärft, sondern verschärft. Griechenland nimmt weniger Steuern ein als 2010 und gibt im Vergleich zum Vorjahr mehr Geld aus – prozentual und absolut – auch ohne Zinsen. Allen Bekundungen zum Trotz hat der Schuldenschirm die Überschuldungskrise von Staaten und Banken nicht entschärft, sondern verschärft. Es wird nur teure Zeit gekauft. Doch Griechenland kann aus seiner Überschuldung nicht herauswachsen, erst recht nicht mit noch mehr Schulden. Die angeforderten neuen Hilfen und die Aufstockung des Schuldenschirms werden die Lage noch weiter verschärfen.“

Innerhalb der FDP sind die Oberen nun nicht gut auf Schäffler zu sprechen. Die Welt berichtet davon, daß der Parteivorstand der Meinung sei, Schäffler gehe es um Egoismen und Öffentlichkeit. Der wiederum kontert kühl. „Mich interessiert nicht die Meinung der Funktionäre, sondern die der Mitglieder.“

Bei der CDU liegen derweil die Nerven blank. Kanzleramtsminister Ronald Pofalla mußte sich Anfang der Woche öffentlich entschuldigen, nachdem er gegenüber Abweichler Bosbach unter anderem gesagt hatte: „Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen.“ Als Bosbach konterte, er sei dem Grundgesetz verpflichtet, erwiderte sein Kontrahent: „Laß mich mit dem Scheiß in Ruhe.“

Foto: Die Abweichler von Union, FDP und SPD:

Wolfgang Bosbach (CDU) • Thomas Dörflinger (CDU)

Herbert Frankenhauser (CSU) • Alexander Funk (CDU)

Peter Gauweiler (CSU) • Josef Göppel (CSU)

Manfred Kolbe (CDU) • Carsten Linnemann (CDU)

Thomas Silberhorn (CSU) • Klaus-Peter Willsch (CDU)

Wolfgang Gunkel (SPD) • Jens Ackermann (FDP)

Frank Schäffler (FDP) • Torsten Heiko Staffeldt (FDP)

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