© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/11 / 07. Oktober 2011

Unter Extremismusverdacht
Verfassungsschutz: „Politically Incorrect“ sieht einer möglichen Beobachtung gelassen engegen
Felix Krautkämer

Droht dem islamkritischen Internetblog „Politically Incorrect“ (PI) die Beobachtung durch den Verfassungsschutz? Diese Frage stellen sich derzeit nicht nur die Betreiber der nach eigenen Angaben täglich bis zu 60.000 Besucher zählenden Seite. Zuvor hatten drei zur DuMont-Schauberg-Gruppe gehörende Zeitungen (Berliner Zeitung, Frankfurter Rundschau, Kölner Stadt-Anzeiger), übereinstimmend berichtet, daß PI bei einer Sitzung des Verfassungsschutzes von Bund und Ländern in der vergangenen Woche ein Thema war.

Da zu den vertraulichen Beratungen grundsätzlich nicht Stellung genommen wird, ist beim Bundesamt für Verfassungsschutz auf Nachfrage nur soviel zu erfahren: Man schaue sich die Inhalte auf PI an, die Seite sei derzeit aber kein Beobachtungsobjekt – was den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel (V-Leute, Observation, Abhören) ausschließt. Ansonsten verweist die Behörde auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion. Darin heißt es unter anderem, die überwiegende Mehrheit der Einträge auf PI bediene sich neben einigen Ausnahmen „keiner klassischen rechtsextremistischen Argumentationsmuster, sondern ist im islamkritischen Spektrum anzusiedeln“. Eine rechtsextremistische Bestrebung lasse sich daher „derzeit (noch) nicht feststellen“.

Ähnlich sieht man das offenbar bei den Landesämtern. So weist der Präsident des Hamburger Verfassungsschutzes, Manfred Murck, darauf hin, daß seine Behörde auch einen Blick auf solche politische Entwicklungen werfe, bei denen zumindest der Verdacht bestehe, sich gegen Schutzgüter des Grundgesetzes – zum Beispiel die Glaubensfreiheit – zu richten. Und die islamkritische Szene in Deutschland sei „nicht frei von entsprechenden Anhaltspunkten“, sagte Murck der JUNGEN FREIHEIT.

Neben den kritisierten Inhalten könnte PI aber noch ein anderer Umstand zum Verhängnis werden: Das Bundesverfassungsschutzgesetz schreibt vor, daß die Verfassungsschutzämter nur über solche Bestrebungen Informationen sammeln und auswerten dürfen, die sich unter anderem gegen „die freiheitliche demokratische Grundordnung“ oder „gegen das friedliche Zusammenleben der Völker“ richten. Als Bestrebungen gelten allerdings nur politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen „in einem oder für einen Personenzusammenschluß“. Sollten die Verfassungsschützer zu der Ansicht gelangen, daß PI mit seinem festen Redaktionskollektiv und seinen verschiedenen Ortsgruppen einen solchen Personenzusammenschluß darstellt, könnte dies zu einer Neubewertung führen.

PI-Gründer Steffan Herre sieht einer solchen Entwicklung dennoch gelassen entgegen. „Sicherlich würde eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz einige Nachteile mit sich bringen, beispielsweise den Verlust bestimmter Anzeigenkunden und Autoren“, sagte Herre der JF. „Die Existenz von PI ist dadurch aber nicht gefährdet.“

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