© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/11 / 30. September 2011

Plünderung oder Sicherstellung: Bücher im polizeilichen Zugriff
Barbaren in Bibliotheken
(jr)

Die Austreibung der deutschen Professoren der Reichsuniversität Straßburg im November 1918 ist noch immer zeithistorisches Niemannsland. Folglich auch deren Beraubung durch die französische Okkupationsmacht, die sämtliche Privatbibliotheken der vertriebenen Akademiker entschädigungslos enteignete. Daß deutsche Beschlagnahmungen von Buchbeständen im „wiedergewonnenen“ Elsaß-Lothringen zwischen 1940 und 1944 auch als Reaktion auf das von Frankreich vorgegebene Niveau der Auseindersetzung zwischen „Erbfeinden“ zu verstehen sein könnte, ist für Werner Schröder, der sich seit langem dem Thema „Buchraub“ durch NS-Behörden widmet, kein Thema. Aus den gelichteten Aktenbeständen versucht Schröder stattdessen die „Plünderung von Antiquariaten und Buchhandlungen im Zweiten Weltkrieg“, diesmal am Beispiel Elsaß-Lothringen und der jüdischen Antiquariate Budapests (Aus dem Antiquariat, 3/4-2011), als quasi genetisch bedingten deutschen Barbarismus erscheinen zu lassen. Nutznießer des Zugriffs auf jene Bücher waren statt öffentlicher Bibliotheken das Reichssicherheitshauptamt und das Amt Rosenberg, um „Verbots- und Gegnerschrifttum“ aus dem Verkehr zu ziehen, wie Schröder eifrig aus den SD-Dokumenten zitiert, um gleichsam darin einen „vorgeschobenen Grund zur Plünderung“ zu erkennen.

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