© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/11 / 30. September 2011

Zum Warten verdammt
Palästina: Bereits kurz nach seiner Einreichung ist der Antrag Palästinas auf UN-Vollmitgliedschaft in der Ausschußwelt versunken
Günther Deschner

Ob Israels Regierungschef Netanjahu oder die Politspitzen der westlichen Welt, von Obama bis Sarkozy: alle haben seit Wochen auf den Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas eingeredet, es sei falsch, gefährlich und kontraproduktiv für sein Land, die volle UN-Mitgliedschaft zu beantragen. Die Palästinenser müßten mit Israel verhandeln.

Doch Abbas gab sich unbeeindruckt. „Meine Mission ist es, die Vollmitgliedschaft bei den Vereinten Nationen zu beantragen“, sagte er am Freitag vergangener Woche zu Beginn seines Auftritts vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York. Es sollte ein denkwürdiger Auftritt werden, der den Anspruch der Palästinenser auf einen eigenen Staat nach Jahrzehnten des Konflikts mit Israel, der schon unübersichtlich gewordenen Initiativen, Vorschläge, Vermittlungsversuche und des jetzt herrschenden Stillstands in den Friedensverhandlungen bekräftigt.

Es sollte ein Vertrauen schaffender Auftritt sein – nicht so martialisch wie jener seines Vorgängers Arafat, der im November 1974 im schwarz-weiß karierten Kopftuch und mit umgeschnalltem Pistolenholster am East River gegen Israel austeilte und drohte: „Lassen Sie den Ölzweig nicht aus meinen Händen fallen.“

Abbas hingegen wählte staatsmännische Worte: „Dies ist ein Moment der Wahrheit“, sagte er. „Nach 63 Jahren des Leidens“ müsse es endlich „genug“ sein, „genug, genug, genug!“

Nach Jahrzehnten der Vertreibung und Besatzung, so Abbas, sei „die Zeit für sein mutiges und stolzes Volk gekommen, wie andere Völker auch in einem souveränen Heimatland zu leben“. Sodann: „Ich möchte Sie darüber informieren, daß ich vor meiner Rede hier, als Präsident des Staates Palästina und Vorsitzender des Exekutivrates der PLO, dem UN-Generalsekretär den Antrag zur Aufnahme Palästinas auf der Grundlage der Grenzen von 1967, mit Al Quds Al Scharif (Jerusalem) als Hauptstadt, als Vollmitglied in die Vereinten Nationen übergeben habe.“ Mit seinem eindringlichen Auftritt wollte Abbas klarmachen, „daß Palästina auf dem Weg ist, der 194. Mitgliedsstaat der Vereinten Nationen zu werden“.

Ob überhaupt und wenn ja, wann genau das geschehen wird, ist allerdings nach wie vor offen. Denn um Vollmitglied zu werden, müssen mindestens neun der 15 Mitglieder des UN-Sicherheitsrats grünes Licht geben – darunter alle fünf Veto-Mächte USA, Rußland, China, Frankreich und Großbritannien. Anschließend muß die Vollversammlung die Aufnahme mit einer Zweidrittelmehrheit billigen. Im Sicherheitsrat, bei dessen Mitgliedern eine Mehrheit für die Initiative der Palästinenser erwartet wird, ist jedoch ein Veto der USA zu erwarten. Eine mögliche Anerkennung durch eine Mehrheit in der UN-Vollversammlung würde den Palästinensern lediglich einen Beobachterstatus bei der Uno sichern – allerdings wäre auch das eine Verbesserung der palästinensischen Position.

Die israelische Regierung erwartet nach Berichten der israelischen Zeitung Haaretz in diesem Fall juristische Schwierigkeiten wegen des Siedlungsbaus im Westjordanland: Regierungschef Netanjahu befürchte, ein Palästinenserstaat könne vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gegen den Siedlungsbau vorgehen.

Nach einer ersten Beratung des Palästinenser-Antrags am Montag dieser Woche hat der UN-Sicherheitsrat das Thema erst einmal vertagt. Als nächstes, so Sicherheitsrats-Präsident Mansur, müsse über die Überweisung des Antrags an einen Ausschuß entschieden werden, der sich „entsprechend den Regularien in den nächsten Tagen aus allen 15 derzeitigen Mitgliedern konstituieren muß und der sich in den kommenden Wochen und Monaten mit dem Gesuch der Palästinenser befassen wird“.

Parallel dazu und unabhängig vom Sicherheitsrat wird ein neuer Versuch für direkte Gespräche zwischen Israel und den Palästinensern unter Führung des Nahost-Quartetts gestartet. Das Gremium, bestehend aus der EU, Rußland, den UN und den USA, hatte sich noch Freitag nacht in New York auf eine entsprechende Resolution geeinigt. Konkret will das Quartett binnen eines Monats die Konfliktparteien zu einem „vorbereitenden Treffen“ an einen Tisch holen, bei dem eine Verpflichtung eingegangen werden soll, bis „spätestens Ende 2012“ zu einem Ergebnis zu kommen.

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