© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/11 / 23. September 2011

Haltungsnote
Schlichte Resultate
Christian Schwiesselmann

Politikwissenschaft ist Journalismus plus Fußnoten. Dieser Verdacht beschleicht sogar ehemalige Absolventen dieser Disziplin, auf deren Legitimationsinteresse zuerst Konservative wie Caspar von Schrenck-Notzing hingewiesen haben.

Aktuelle Forschungsvorhaben wie die von Daniela Schlicht an der Universität Münster über die Islamdebatte in den sogenannten sozialen Netzwerken nähren diese Skepsis gegenüber den Erkenntissen der „Demokratiewissenschaft“ zusätzlich. Die hübsche Nachwuchsakademikerin mit dem Nasenpiercing will für ihre Doktorarbeit herausfinden, ob sich die virtuellen religiösen Überzeugungen der Migrantennachfahren von denen der Einwanderergeneration unterscheiden. Dafür hat Schlicht mehr als 1.000 Facebook- und StudiVZ-Debatten aus drei Jahren ausgewertet.

Den normativen Anspruch – den Nachweis des säkularen Euro-Islams nämlich – deutet die Projektskizze an: Statt des Volksislams der Elterngeneration versuchten junge Muslime, „ihren Glauben und das Leben im säkularen Europa miteinander in Einklang zu bringen, indem sie Kultur und Religion voneinander trennen“. Diese neuen religiösen Ausdrucksformen würden „nicht nur im Internet artikuliert, sondern auch ausgehandelt“, so Schlicht. In einem „herrschaftsfreien Diskurs“ – möchte man etwas „Habermäßiges“ nachschieben.

Schlichts Ergebnisse, die Ende 2011 vorliegen sollen, sind ziemlich schlicht: „Extremistische Positionen sind selten und werden von der Internetgemeinschaft sofort ausgebremst“, analysierte die Politologin, die schon in ihrer Magisterarbeit das „Potential des Internets für die gesellschaftliche Integration von Migranten“ vermessen hat. Andere Befunde hätten dem Geldgeber des Exzellenzclusters „Politik und Religion in den Kulturen der Vormoderne und Moderne“ wohl auch mißfallen.

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