© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/11 / 23. September 2011

Ratingagentur S&P stuft Kreditwürdigkeit Italiens herab
Römisches Menetekel
Bernd-Thomas Ramb

Auf den ersten Blick verwundert die Herabstufung der italienischen Kreditwürdigkeit durch die New Yorker Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P). Der Schuldenstand hat sich zwar seit der Einführung des Euro von 111 auf 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erhöht, wirtschaftlich stand Italien jedoch stets als mediterraner Musterknabe da – kein Vergleich mit Portugal oder gar Griechenland. Selbst die spanische Wirtschaft verblaßte hinter Italien. Allerdings darf die Zweiteilung Italiens nicht verschwiegen werden. Die industriell getragene Wirtschaftskraft des Nordens finanziert den dann doch eher griechisch anmutenden Mezzogiorno.

Die nach Ansicht der amerikanischen Finanzdienstleister verminderte Bonität als rein politischen Schachzug fernab der italienischen Wirtschaftsrealität zu verwerfen, wäre jedoch eine Fehleinschätzung. Gewiß, Langzeit-Premier Silvio Berlusconi ist nicht der Lieblingskandidat der anderen europäischen Regierungschefs, aber deswegen den Euro noch mehr in Verlegenheit geraten zu lassen, kann nicht in deren Interesse sein. Verschwörungstheoretiker könnten noch eine US-amerikanische Bösartigkeit zur Stützung des ebenfalls trudelnden Dollars vermuten. Mit politischer Phantasie ist vieles denkbar.

Wie wäre es, wenn statt dessen einmal angenommen wird, die Einschätzung von S&P sei gerechtfertigt? Sie beruht hauptsächlich auf der Erwartung eines einbrechenden Wirtschaftswachstums in Italien. Dann bedeutet die Herabstufung: Das Ende der Verschuldungsfahnenstange ist nahe. 1,9 Billionen Euro Staatsschulden lassen sich bei einem Nullwachstum der Wirtschaft nicht mehr so ohne weiteres finanzieren. Italiens gesunkene Kreditwürdigkeit entwickelt sich dabei zum Menetekel für die anderen Euroländer. Deutschland hat einen ähnlich hohen Schuldenberg, die Wachstumsaussichten fallen ebenfalls gegen Null. Allein das höhere BIP unterscheidet Deutschland noch von Italien.

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