© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/11 / 23. September 2011

Rote Traumwelten in Kopenhagen
Dänemark: Knapper Sieg des Roten Blocks / Volkspartei zeigt sich kämpferisch
Sven Foligowski

Heute ist der Tag des Wechsels in Dänemark.“ Mit diesen Worten leitete die Vorsitzende der Sozialdemokraten, Helle Thorning-Schmidt, die neue politische Ära Dänemarks ein. Bei den Wahlen zum dänischen Parlament erreichte ihre Partei 24,9 Prozent der Stimmen und wurde zweitstärkste Kraft. „Heute haben wir Geschichte geschrieben“, verkündete die 44jährige und tünchte so das schlechteste Wahlergebnis der Sozialdemokraten seit hundert Jahren in rosige Worte. Doch die Linksliberalen und vor allem die Postkommunisten der Einheitsliste im sogenannten Roten Block legten zu, und so rückt das Königreich nach einem Jahrzehnt rechtsliberaler Politik nach links.

Zurück bleibt ein konsternierter Blauer Block, der vor allem durch die großen Verluste der Konservativen geschwächt wurde. Doch Lars Løkke Rasmussen, Parteivorsitzender der siegreichen rechtsliberalen Venstre (26,7 Prozent) und bisheriger Ministerpräsident, behielt den Humor: „Ich werde die Schlüssel der Staatskanzlei übergeben und sage: Liebe Helle, paß bitte auf die Schlüssel auf. Sie sind nur geliehen.“

Auch die rechtsnationale dänische Volkspartei (DF), die unter der Führung von Pia Kjærsgaard als Mehrheitsbeschafferin der Minderheitsregierung fungiert hatte, mußte erstmals in ihrer 16jährigen Geschichte Verluste hinnehmen, konnte aber dennoch ihren dritten Platz in der Parteienhierarchie festigen.

Entsprechend zeigte sich Kjærsgaard bereits kurz nach der Wahl wieder gewohnt kämpferisch: „Wir werden Helle Thoring-Schmidts komisch zusammengewürfeltem Haufen einer Regierung zeigen was eine Harke ist“, kündigte die Parteivorsitzende an und kritisierte vor allem deren Zusammenarbeit mit der Einheitsliste („Revolutionsromantiker, die Terrorismus und Gewalt unterstützen und von einer klassenlosen kommunistischen Gesellschaft träumen“). Süffisant hatte die 64jährige Politikerin bereits am Wahlabend der zukünftigen Ministerpräsidentin Thorning-Schmidt zu deren Sieg gratuliert und zugefügt: „Sie verdienen ihn, aber ich glaube, Ihnen stehen harte Zeiten bevor.“

Vor allem wirtschaftlich steht Dänemark vor einer angespannten Situation. Erst Anfang September hatte Finanzminister Claus Hjort Frederiksen (Venstre) für das kommende Jahr ein Haushaltsdefizit von 85 Milliarden Kronen (11,4 Milliarden Euro) verkündet und zugleich eine Neuverschuldung von 4,6 Prozent des Bruttosozialproduktes prognostiziert.

Keine leichte Aufgabe. Doch schon im Wahlkampf hatte der Rote Block keinen Hehl daraus gemacht, mehr auf die öffentliche Hand als Wachstumförderer zu setzen. Entsprechend wollen die Sozialdemokraten die dänische Wirtschaft mit einem staatlichen Investitionsprogramm auf Kurs bringen. Zugleich soll der Sozialhilfesatz erhöht und die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes verlängert werden. Ein konkreter Finanzierungsplan existiert jedoch nicht.

Innenpolitisch ist ein Wandel in der Zuwanderungs- und Ausländerpolitik (Sozialhilfe, Familiennachzug) im Gespräch, und auch die von der Dänischen Volkspartei durchgesetzte Einführung von Grenzkontrollen soll rückgängig gemacht werden.

Als erste schwere Hürde gilt bereits die Regierungsbildung innerhalb des Roten Blocks. Vieles deutet darauf hin, daß es zu einer Minderheitsregierung aus Sozialdemokraten, Sozialisten und Linksliberalen kommen wird. Die postkommunistische Einheitsliste wird als Mehrheitsbeschafferin gehandelt. Fraglich ist nur, ob eine gemeinsame politische Linie zwischen Postkommunisten und Liberalen in der Wirtschafts- und Europapolitik gefunden werden kann. Doch auch in der Ausländerfrage liegen sich die „rechten“ Sozialdemokraten, die an der bisherigen rigiden Praxis nur wenig verändern wollen, und die Postkommunisten diametral gegenüber.

Foto: Helle Thorning-Schmidt in Siegerpose: Trotz Verlusten an der Spitze

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