© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/11 / 23. September 2011

Versöhnliche Worte für linke Pöbler
„Marsch für das Leben“: Mehr als 2.000 Lebensschützer demonstrieren in Berlin mit weißen Holzkreuzen gegen Abtreibungen
Lion Edler

Ob er etwa nur die Gegendemonstranten fotografiere, will die besorgte ältere Frau von dem Pressefotografen wissen. Schließlich würden bei den meisten Berichten über den abtreibungskritischen „Marsch für das Leben“ immer nur die Gegendemonstranten gezeigt, so daß die Leser dann dächten, die Gegner seien in der Mehrheit. Es ist nicht die einzige Schwierigkeit, mit der die Teilnehmer des Marschs zu kämpfen haben. Am vergangenen Wochenende versammelten sich die Abtreibungsgegner wieder zu der jährlichen Veranstaltung, diesmal vor dem Bundeskanzleramt.

Die andere Schwierigkeit sind sogenannte „Antifaschisten“, die sich trötend und brüllend in die Reihen der Abtreibungsgegner gemischt haben. „Deutschland treibt sich ab – und das wurde auch Zeit“, erklärt ein Transparent in Anspielung auf die Sarrazin-Debatte.

Doch trotz all dieser Schwierigkeiten erfreut sich die vom Bundesverband Lebensrecht (BVL) organisierte Veranstaltung wachsender Beliebtheit. 2.100 Demonstranten waren es laut Polizeiangaben in diesem Jahr. Damit wurde wieder ein Teilnehmerrekord erreicht.

Auf einer für die Demonstration aufgebauten Bühne steht der BVL-Vorsitzende Martin Lohmann. Er klagt über ein Verbot der sogenannten „Gehsteigberatung“, bei dem schwangere Frauen auf dem Weg zur Abtreibungsklinik angesprochen werden, um noch in letzter Sekunde von ihrer Entscheidung abgebracht zu werden: „Es ist ein Skandal, daß man Lebensschutz in Deutschland verbietet!“ Wer meine, daß eine menschliche Gesellschaft nur mit der Garantie des Rechts auf Leben möglich sei, der sei ein „Anwalt der Freiheit, ein Anwalt der Frauen und ein Anwalt der Kinder“.

Die Publizistin Ruth Heil, Mutter von elf Kindern, sagt, daß sie keine einzige Frau kenne, die ihre Entscheidung gegen eine Abtreibung bereut habe. Sie kenne aber über zehn Frauen, die weinten, weil sie ihre Abtreibung im nachhinein beklagten. Wieder beginnen die oft haßerfüllten linken Gegendemonstranten mit Gebrüll. „Sexistische Kackscheiße“ steht auf einem Plakat, die Parole „Hätt’ Maria abgetrieben, wärt ihr uns erspart geblieben“ gehört zum Standardrepertoire. Doch obwohl die Teilnehmer des „Marschs für das Lebens“ seit Jahren von den linken Störern zum Teil gewalttätig terrorisiert werden, setzen die überwiegend christlich orientierten Demonstranten weiter auf Versöhnung. Die Schreier wüßten gar nicht, „wie wunderbar Gott sie gemacht hat“, was sie für eine „Perle in Gottes Auge“ seien, ruft Ruth Heil ihnen zu. „Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat“, schallt es zurück.

Unter den Demonstranten ist auch der Lehrer Markus K., der lieber nicht mit Namen genannt werden möchte und mit einem Sarrazin-Zitat auf seinem Hemd auffällt: „Wenn man jedes Problem, das von dem Falschen benannt wird, zum Nichtproblem erklärt, ist man trotzdem auf dem falschen Weg.“ Der 46jährige Berliner ist Vater eines Kindes mit Down-Syndrom, das seine Frau bewußt nicht abtreiben wollte. Es gebe ja niemals eine Seite, die hundertprozentig recht habe, sagt K., aber was die Gegendemonstranten da machten, das sei „einfach peinlich. Man kann sich nur angewidert abwenden.“

Nach den Reden beginnt der Marsch, der vom Kanzleramt zur Hedwigskathedrale führt. Begleitet wird der Demonstrationszug von zahlreichen Polizisten und pöbelnden Linken, die die Demonstranten unter anderem als Kindesvergewaltiger beschimpfen. Viele Abtreibungsgegner halten weiße Holzkreuze in die Höhe, mit denen sie der abgetriebenen Kinder gedenken.

Daniel Soluk nimmt bereits zum vierten Mal an dem Marsch teil und ist extra aus Hannover angereist. Für den 22 Jahre alte Auszubildenden zum Industriekaufmann ist Abtreibung „generell nicht im Interesse der Kinder“, denn man müsse davon ausgehen, daß das Kind leben will. Als eine „Schande“ empfindet er es, daß Abtreibung bis zur 14. Schwangerschaftswoche toleriert wird. „Das ist kein Zellklumpen, das ist ein Kind, das hat schon Extremitäten und alles“, sagt Soluk. Viele Menschen wüßten überhaupt nicht, daß Spätabtreibungen möglich seien, weshalb man durch solche Demonstrationen darauf hinweisen müsse. Über die medialen Reaktionen auf den „Marsch für das Leben“ macht Soluk sich allerdings keine Illusionen: „Wir werden totgeschwiegen.“ Doch wenn der Protestzug weiter so wächst wie bisher, wird dies für die Medien immer schwieriger werden.

Foto: Zug der Abtreibungsgegner vom Kanzleramt durch Berlin: „Eine Perle in Gottes Auge“

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