© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/11 / 16. September 2011

Schein und Sein der DDR-Arbeitslager
Erziehung zum neuen Menschen
(ob)

Wie der gesamte Unterdrückungsapparat des SED-Staates in der verquasten Deutung mancher DDR-„Experten“ und linksextremer Ideologen noch heute gegenüber dem „faschistischen Terror“ gerechtfertigt sein soll, weil um „humaner Ziele“ willen getötet, weggesperrt oder gefoltert wurde, so genießt rückschauend auch das System der mitteldeutschen Arbeitslager einen beinahe philanthropischen Nimbus. Nicht wenig hat der Umstand dazu beigetragen, daß die militärisch straff organisierten Lager als Teil des herkömmlichen DDR-Strafvollzugs offiziell die Aufgabe hatten, den kommunistischen „neuen Menschen“ zu erziehen, der seine eigenen Interessen hinter denen der Gesellschaft zurücktreten lassen sollte. Wie der Erfurter Zeithistoriker Marcus Sonntag anhand von Gefangenenakten belegt, war die Lagerrealität von diesem hehren Erziehungsziel weit entfernt (Deutschland-Archiv, 2-2011). Vor allem in den 1950ern sei es allein darum gegangen, Häftlinge zu „produktivieren“ und brutal auszubeuten. Die „Umerziehung“ war nicht mehr als „Zeitvertreib in arbeitsfreien Stunden“. Daran habe sich bis 1989 „nichts Grundlegendes“ geändert. Kaum ein Häftling dürfte das Lager als „glühender Kommunist“ verlassen haben, und bei den politischen Gefangenen sei die Gegnerschaft zum SED-Regime „eher gewachsen“.  www.wbv.de

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