© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/11 / 16. September 2011

CD: Volksmusik
Aufspielen zum Tanz
Sebastian Hennig

Die CD „Baselbiet. 111 Jahre Hanny Christen“ ist die fünfte Veröffentlichung der sechs Männer von „Hanneli-Musig“, die seit gut zehn Jahren beschäftigt sind, die Volksmusik-Sammlung des „Musighanneli“ zum Klingen zu bringen. 12.000 Melodien lagerten nach dem Tod der unermüdlichen Sammlerin für 25 Jahre im Keller der Universitätsbibliothek Basel. Der Verleger und Komponist Fabian Müller war die treibende Kraft für die zehnbändige Anthologie, die schon 2002 abgeschlossen werden konnte. Seither bringt er als Bratscher und Cellist gemeinsam mit profilierten Instrumentalisten der Schweizer Volksmusikszene die Tänze zum Klingen.

Die Arrangements haben die Musiker unter sich aufgeteilt, und es ist ihnen eine echte Auferstehung der dörflichen Tanzmusik zu danken. Es liegt zumeist eine Melodie von Klarinette und Violine auf dem Grundrhythmus von Kontrabaß, Bassetthorn, Gitarre und Baßklarinette. „Hanneli-Musig“ ist eine Art „Buena Vista Social Club“ des Alpenlandes. Eine gesittete Ausgelassenheit kennzeichnet diese Tänze. Zu ihrer Entstehungszeit wurden sie nach der körperlich erschöpfenden Arbeit getanzt.

Die hier vorgestellten traditionellen Melodien gehören zu jenem Fundus volkstümlicher Tänze, der über Beethoven und Schubert in die Konzertsäle Einzug hielt. Man muß an Schuberts „Deutsche Tänze“ oder das Scherzo in Beethovens 6. Sinfonie denken. Dort wird das Tanzvergnügen auf dem Wiesenplan durch ein Gewitter jäh beendet. Der feierabendliche Zeitvertreib eines heiteren Ringelreihens ist unterdessen vom Krawall des zwanzigsten Jahrhunderts verschlungen worden. Das gelegentliche Schautanzen der Traditionsvereine ist kein Ersatz für eine lebendige Festkultur, ebensowenig der universelle Disco-Fox zu Schlager-Süßigkeiten.

Damals hatte die „Musig“ noch Spannweite: Ganz Europa von West nach Ost und Nord nach Süd walzte über den Tanzboden: Rheinländer, Schottische, Mazurken, Polka, Walzer und Polonaisen. Zwei Formationen ragten hervor und entwickelten sich zu regelrechten Musikunternehmen im „Baselbiet“. Die „Mundwiler-Musig“ aus Tenniken: Friedrich Mundwiler (1833–1893) erhielt am Stuttgarter Konservatorium eine Geigenausbildung. Bis zu sechzehn Musikanten waren unter dem Namen gleichzeitig unterwegs. Als er mit einer Schiffsmusik die Ozeane bereiste, erkrankte er an Gelbfieber und starb im fernen Mexiko.

Mächtigster Rivale in der „Schnurantemusig“, wie die umherziehenden Musikanten tituliert wurden, war die „Jourdan-Musig“ aus Muttenz. Deren Nachkommen waren für das „Musighanneli“ eine wesentliche Quelle. So wurden neben den Noten auch Gebräuche überliefert. Wie es heute allenfalls noch auf dem Balkan zu erleben ist, geleiteten die Tanzmusikanten den Hochzeitszug zur Kirche und anschließend von der Kirche zum Gasthof. Während des Tanzes hat der außerhalb des Kreises stehende Tanzmeister den Takt geklopft.

Die „Hanneli-Musig“ ist immer bereit für eine Mugge, auf der dann vielleicht im Fiedeln und Trillern der Musik auch unsere gelähmten Tanzbeine wieder in den richtigen Rhythmus zurückfinden. In der zweiten Konzerthälfte gehen die Musikanten auf die regionalen und musikalischen Vorlieben des Publikums ein.

Hanneli-Musig, Baselbiet –111 Jahre Hanny Christen www.hannelimusig.ch; www.zytglogge.ch

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