© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/11 / 16. September 2011

Zeitschriftenkritik: Exit!
Zur kategorialen Kritik des Staates
Jens Knorr

Weil die sogenannte Währungskrise nur längst von der Wert- und Wertabspaltungskritik getroffene Analysen und Prognosen illustriert, liefert sie ihr nicht viel neuen Stoff, erhält aber immerhin dem Wirtschaftsfeuilleton den nicht enträtselten alten. Wer basale Kategorien wie Arbeit, Ware, Wert als naturgegeben auffaßt, dem dürfte wenig Besseres einfallen, als den Kollaps der Modernisierung durch Herumlaborieren am Geldsystem kurieren zu wollen. Der Ruf nach etatistischer Krisenverwaltung schallt von links bis rechts, von Wulff bis Wagenknecht: Den Keynesianern soll der Staat die Wirtschaft durch mehr, den Neoliberalen durch weniger Staatsausgaben beleben, vor allem aber wieder einmal das schaffende vor dem raffenden Kapital retten, als wäre dem Leviathan Entscheidungsgewalt über das gegeben, was ihn selber erst belebt, was er zu garantieren hat und immer weniger garantieren kann: die Kapitalverwertung nämlich.

In Heft 8 der unregelmäßig erscheinenden Theoriezeitschrift Exit! Krise und Kritik der Warengesellschaft setzt der Nürnberger Ökonom Robert Kurz seine „Thesen zu einer kritischen Staatstheorie“ fort; der erste Teil erschien 2010 in Heft 7, ein abschließender dritter Teil soll folgen. Zeichnete er im ersten Teil die Staatstheorien von Hobbes bis Hegel bis hin zur verkürzten Staatskritik des „Kommunistischen Manifests“ mit seinem auf die Bedürfnisse der Arbeiterbewegung zurechtgestutzten Staatsverständnis nach, so verfolgt er im zweiten Teil die weitere Geschichte linker Staatstheorie, entlang dem Streit zwischen Marx und Engels und den Bakunisten um den Charakter der Pariser Kommune und weiter entlang dem Weg der deutschen Sozialdemokratie von Staatsidealismus zu parlamentarischer Repräsentanz, der den Weg aller sozialen Bewegungen seither bis hin zu den operaistischen und postoperaistischen vorzeichnet, abstrakte Arbeit und abstrakten Reichtum verantwortlich mitzugestalten, letztlich aber dann auch den Ausnahmezustand als den zwangsläufigen Endstand der Krisen- und Notstandsverwaltung.

In seinem Rezensionssessay über Bob Jessops 2002 erschienenes Buch „The Future of the Capitalist State“ referiert Elmar Flatschart Jessops Erklärung sozio-organisatorischer Umbrüche im Kontext des Endes von Fordismus und keynesianischem Nationalstaat, der Wandlung des nationalen Wohlfahrtsstaates zum postnationalen „Workfare“-Regime und der damit verbundenen räumlichen Transformation des Staates, und kritisiert dessen Theorem der „Governance“ im Anschluß an Kurz als negative Aufhebung des Widerspruchs von Ökonomie und Politik.

Daß uns kein Leviathan rette, gilt der Wert- und Wertabspaltungskritik als ausgemachte Sache, und die unaufhaltsame Crashfahrt des warenproduzierenden Systems scheint ihnen recht zu geben. Die seit 2004 erschienenen acht Hefte von Exit! geben die staatskritische Fahrtlektüre.

Kontakt: „Exit!“, herausgegeben vom Verein für kritische Gesellschaftswissenschaften e.V., erscheint im Horlemann Verlag, Postfach 1307, 53583 Bad Honnef. Die Einzelpreise der Hefte betragen je nach Umfang zwischen 9 und 13 Euro. www.exit-online.org

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen