© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/11 / 16. September 2011

Grüße aus London
Was ist denn hier los?
Derek Turner

Seit seinen Auftritten in den Sketchen der beliebten Monty-Python-Fernsehserie, in Filmen wie „Das Leben des Brian“ und in der nicht minder beliebten Serie „Fawlty Towers“ hat John Cleese in Großbritannien den Status einer kulturellen Ikone. Der Spruch der Pythons lautete: „And now for something completely different!“ („Kommen wir jetzt zu etwas völlig anderem“), und tatsächlich leistete die Serie ihren Beitrag dazu, die gesellschaftlichen Umwälzungen der 1970er Jahre einzuleiten.

In „Fawlty Towers“ spielte Cleese den auf abstoßende Weise witzigen Basil Fawlty. Der Misanthrop Fawlty, in dem sich kriecherische Unterwürfigkeit auf das vortrefflichste mit Fremdenhaß vermischt, war eine typische Schöpfung des Komiker-Genies Cleese, der gerne Offiziere, Polizisten, Pfarrer auf die Schippe nimmt. Cleese selber hat sich mit zunehmender Altersmilde vom Labour-Wähler zum Anhänger der Liberaldemokraten gewandelt. Auch aus seiner Bewunderung für Barack Obama und seiner Verachtung für Sarah Palin machte er nie einen Hehl.

Neuerdings bereut er manche satirischen Auslassungen seiner jüngeren Jahre. Bereits vor einigen Monaten äußerte er gegenüber der Zeitschrift Seven sein Bedauern über den Verfall der bürgerlichen Kultur, die er einst mit Spott zu überziehen pflegte. „Ein bißchen miefig“ sei sie schon gewesen, und es habe „mehr Sexismus und mehr Rassismus“ geherrscht. „Aber es war eine gebildete, eine Mittelklassenkultur. Heute haben wir eine Kultur des Rowdytums. Deren Werte sind höchst befremdlich.“

Als sei dieses Gedankenverbrechen nicht schlimm genug, legte Cleese jüngst noch nach, indem er nun im australischen Fernsehen sein Unbehagen über die Folgen der Einwanderung zu Protokoll gab. Auf eine Frage nach den Krawallen in London erwiderte Cleese: „London ist keine englische Stadt mehr. Deswegen haben wir die Olympischen Spiele bekommen. Es hieß, wir seien die weltoffenste Stadt der Welt. Aber man hat nicht mehr das Gefühl, daß man in England ist. Vor zwei Monaten war ein Freund aus Kalifornien zu Besuch, der sagte: ‘Wo sind denn die ganzen Engländer?’ Also, mir gefällt es, von verschiedenen Kulturen umgeben zu sein. Aber wenn die Mutterkultur sich sozusagen auflöst, dann beginnt man sich zu fragen: ‘Was ist denn hier los?’“

Wie kaum anders zu erwarten, stießen seine Bemerkungen auf Zustimmung seitens der United Kingdom Independence Party (UKIP) und der English Defence League und auf heftige Kritik seitens des ehemaligen Londoner Bürgermeisters Ken Livingstone, der sich derzeit Hoffnungen auf eine erneute Amtszeit macht. Ein Sprecher des Livingstone-Nachfolgers Boris Johnson wies Cleeses Äußerungen ebenfalls zurück – auch er ist auf die Stimmen schwarzer Wähler angewiesen.

Cleese hat selbstverständlich vollkommen recht – große Teile Londons sind seit langem nicht mehr englisch. Ein Drittel der acht Millionen Einwohner der Region Greater London sind keine gebürtigen Briten, insgesamt werden über 300 Sprachen in der Metropole gesprochen. Insofern erregten Cleeses Kommentare außerhalb der Politik relativ wenig Aufsehen.

Viele Menschen nehmen indes Anstoß daran, daß Cleese selber lange Jahre in den USA lebte und nun vorhat, in die Schweiz oder nach Monaco umzusiedeln. Dort ist er nicht nur vor den hohen Steuersätzen in seiner Heimat sicher (die er selber ausdrücklich befürwortet), sondern auch vor dem Werteverfall – und wird sich seinen berühmten Sinn für Humor sicherlich bewahren können. Wer sich dergleichen nicht leisten kann, hat weniger zu lachen.

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