© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/11 / 16. September 2011

Das Gerücht vom neuen Schisma
(vo)

Im Vatikan sorgt man sich um Deutschland, genauer: seinen katholischen Teil. Wie das Nachrichtenmagazin Focus im Juni meldete, kursiere in Rom ein „inoffizielles Dossier“, das vor einem Schisma, einer Spaltung der katholischen Kirche in Deutschland warnt. Seitens der Kurie wurde die Existenz des Dossiers umgehend dementiert. Und wer sich in dieser Sache an Geistliche oder sonstige „gut unterrichtete Kreise“ wendet, wird meistens auf das offizielle Dementi hingewiesen oder bekommt zu hören: „Kein Kommentar.“

Die Brisanz des Berichtes liegt weniger in der Warnung vor einer Zerreißprobe zwischen einem romtreuen und einem -kritischen Teil, sondern in der Tatsache, daß darin von einer „konspirativen Hierarchie“ berichtet wird, die innerhalb der Kirche gegen Rom agitiere und die päpstliche Autorität in Frage stelle. Genannt werden angeblich Religionslehrer, Theologieprofessoren, Funktionäre kirchlicher Laienorganisationen wie dem Zentralkomitee der Katholiken (ZdK) oder dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), außerdem das Cusanuswerk, Mitglieder der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, aber auch Mitarbeiter der Deutschen Bischofskonferenz und Angehörige des Jesuitenordens. Ungeachtet der Frage nach Existenz oder Nichtexistenz des geheimen Vatikan-Dossiers ist nicht zu leugnen, daß innerkirchliche Gruppen an einem deutschen (national-)kirchlichen Sonderweg interessiert sind. Auf ihrem Programm stehen die Schleifung des Zölibats, die Zulassung von Frauen zum Priesteramt sowie die stärkere Einbindung von Laien.

„Wer gegen Rom arbeitet, der betreibt die Spaltung“, meint dazu der Vorsitzende des Arbeitskreises Engagierter Katholiken in der CDU, Martin Lohmann. Es gebe leider in Deutschland traditionell einen ausgeprägten antirömischen Komplex, beklagt der Publizist und stellt bedauernd fest: „Manchen katholischen Deutschen fehlt der katholische Weitblick“, der die Weltkirche als Ganzes einbeziehe.

In der Tat: Eine Kirche mit verheirateten und weiblichen Pfarrern gibt es bereits, die evangelische. Ist sie die attraktivere Alternative? Die Personalentwicklung zumindest spricht eine andere Sprache. Den evangelischen Landeskirchen kehrten in den letzten zwanzig Jahren noch mehr Mitglieder den Rücken als der katholischen. Die konfessionelle Landkarte Deutschlands (siehe nebenstehende Grafik) entspricht noch heute fast derjenigen zur Zeit des Augsburgischen Religionsfriedens von 1555: Katholisch ist man vor allem im Süden und Westen. Der Unterschied zu früher: Das mitteldeutsche Ursprungsgebiet der Reformation Martin Luthers ist längst nicht mehr evangelisch, sondern „konfessionslos“.

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