© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/11 / 09. September 2011

Frisch gepresst

Landlust. Der US-Amerikaner Bob Tarte ist mit Gattin aus einer Stadt, in der er sich an „Pistolenschüsse und Autohupen gewöhnt hatte“, in ein altes Farmhaus nach Michigan gezogen. Wer hinter dieser Story mit dem Untertitel „Wie ein überzeugter Städter seiner Frau zuliebe aufs Land zog und dort mit 40 Tieren sein Glück fand“ eine zeitgeistige Flucht-aufs-Land-Geschichte eines Angehörigen der „Bionade“-Generation vermutet, liegt völlig falsch, auch wenn der deutsche Verlag augenscheinlich genau auf dieser Welle schwimmen möchte („Landlust pur!“). Erstens ist Tartes launiges Stück 2003 in den USA publiziert worden, also lange bevor es die deutsche Lebensstil-Zeitschrift Landlust mit ihren entschleunigenden Hinweisen auf das richtige Plazieren von Terracotta-Töpfen überhaupt gab. Zweitens meidet Tarte die obligatorische Verklärung des Landlebens, seine Welt ist eben nicht frei von Gülle, Moskitos oder Monotonie, und drittens beweist er mit seinen beinahe ermüdenden Kleintierskizzen, daß er letztlich nur ein glücklicher Tourist in fremder Umgebung bleibt. Denn weder das deutsche noch der amerikanische Landei käme auf die absurde Idee, außer seinem Hofhund die ihn umgebende Nutztierwelt mit lauter albernen Namen zu versorgen. (bä)

Bob Tarte: Der Land-Neurotiker. Münchner Verlagsgruppe mvg, München 2011, broschiert, 304 Seiten, 16,99 Euro

 

Zahlmeister Deutschland. Immer neue Rettungsschirme für marode Volkswirtschaften im Euro-Raum lassen selbst bei den hartnäckig-naiven deutschen EU-Enthusiasten langsam den Verdacht aufkommen, fortwährend über den Tisch gezogen zu werden. Da erscheint, in zweiter Auflage, Hans Meisers historische Rückschau zur „Ausplünderung Deutschlands seit 1919“ genau zum richtigen Zeitpunkt. Weit über die Hälfte des Werkes dokumentiert die Ausplünderung nach 1945, von der Polen, die Tschechoslowakei, Israel und die Sowjet-union profitieren, die aber erst im Rahmen des „europäischen Projekts“ bis hin zur Preisgabe der Deutschen Mark zur Perfektion entwickelt wurde. Meisers Zahlenwerk widerlegt eindrucksvoll die von der politischen und medialen Klasse auch in diesen Krisenmonaten noch monomanisch repetierte Hochglanzrhetorik zur Verteidigung der „alternativlosen“ Europäisierung Deutschlands. (wm)

Hans Meiser: Ausplünderung Deutschlands seit 1919. 18 Billionen bis 2010. Grabert-Verlag, Tübingen 2011, gebunden, 254 Seiten, Abbildungen, 19,80 Euro

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