© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/11 / 09. September 2011

Beschleuniger des Niedergangs
11. September 2001: Die Reaktionen auf die Terroranschläge haben speziell der US-Wirtschaft geschadet / Gigantische Schuldenpolitik unter George W. Bush
Marco Meng

Nachdem am 11. September 2001 die Türme des World Trade Centers (WTC) eingestürzt waren, brach an den Weltfinanzmärkten Panik aus. Die nur ein paar Straßen vom WTC entfernt liegende Wall Street blieb zwar geschlossen, aber an den europäischen Börsen begann eine Verkaufswelle. Der Dax fiel um 8,5 Prozent – mehr als im Sog der Asienkrise im Oktober 1997. Auch an den folgenden drei Tagen nach den Terroranschlägen fällt der Dax um mehr als sechs Prozent ins Minus.

Nach der Wiedereröffnung der Wall Street am 17. September bricht der Dow-Jones-Index um gut sieben Prozent ein – die Pleite des US-Hedgefonds LTCM drei Jahre zuvor löste kurzfristig dramatischere Einbrüche aus. Und wer rechtzeitig mit Put-Optionen auf fallende Kurse bei den Fluggesellschaften United und American Airlines gesetzt hatte, konnte in jenen Tagen sogar traumhafte Börsengewinne einstreichen.Aber im Gegensatz zu anderen Krisen haben die Anschläge von damals zwei langjährige Kriege zur Folge gehabt.

Die Terrorangst hat die westliche Welt tiefgreifend verändert – auch wirtschaftlich. „Die Durchführung der 9/11-Anschläge hat zwischen 400.000 und 500.000 Dollar gekostet“, stellte der Bericht der US-Kommission zur Untersuchung von „9/11“ nüchtern fest. Laut einer 2004 ausgestrahlten Videobotschaft von Al-Qaida-Führer Osama bin Laden sei das Ziel gewesen, die USA in den Bankrott zu zwingen.

Angesichts der gewaltigen Summen, die für die „Kriege gegen den Terror“ innerhalb der USA sowie in Afghanistan und im Irak aufgewendet wurden und werden, hatten die Terroranschläge tatsächlich „Erfolg“: Zu den rund 14,3 Billionen Dollar Staatsschulden, die im Juli dieses Jahres beinahe zur Zahlungsunfähigkeit der US-Regierung geführt hätten, tragen die Kriegskosten bis jetzt effektiv etwa 4,44 Billionen Dollar bei. Diese Zahl errechneten 2008 Linda Bilmes und der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz in einer Untersuchung des Watson Institute for International Studies an der Ivy-Leage Brown University. Alles in allem seien zudem zwischen 225.000 und 258.000 Menschen an den Folgen der Kriege gestorben. Darunter sind 6.100 getötete US-Soldaten. Hinzu kommen Zehntausende auf staatliche Hilfe angewiesene US-Kriegsversehrte.

Der Blutzoll unter der Zivilbevölkerung beläuft sich im Irak auf 125.000 und in Afghanistan auf 14.000. Auch haben die Kriege etwa 7,8 Millionen Menschen zu Flüchtlingen gemacht. Auf ähnliche Zahlen kommt das Eisenhower Research Project der Brown University: dort beziffert man die „Costs of War“ im Irak, in Afghanistan und Pakistan seit Ende 2001 ebenfalls auf rund 4,4 Billionen Dollar, mindestens jedoch 3,6 Billionen Dollar.

Alles Zahlen übrigens, die von manchen als zu niedrig angesehen werden. Schließlich gibt es da ja noch verschiedene „versteckte oder indirekte Kosten“. So hatten die Terroranschläge die internationale Luftfahrtindustrie in ihre größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg gestürzt. Allein 2001 mußte die gesamte Branche Verluste von mindestens 15 Milliarden Dollar hinnehmen, etwa 40.000 Luftfahrtbeschäftigte verloren ihre Arbeitsstelle, denn etliche große Fluglinien, wie etwa United, US-Airways oder Delta gingen pleite oder wurden von der Konkurrenz aufgekauft. Die Luftfahrtbranche geht davon aus, daß allein seit 2010 ihre Aufwendungen im Sicherheitsbereich um 25 Prozent gestiegen sind.

In seinem Buch „Der Angriff – Wie der islamistische Terror unseren Wohlstand sprengt“ hat sich der Wirtschaftsjournalist Ulrich Schäfer von der Süddeutschen Zeitung mit den Anschlägen auseinandergesetzt und in einen Zusammenhang mit der aktuellen Finanzkrise gestellt. „Natürlich haben auch zügellose Banken, skrupellose Banker und überforderte Aufseher entscheidend zur Krise beigetragen“, erklärte Schäfer in der Wiener Presse.

Aber „seit 9/11 hat sich der Lauf der Weltwirtschaft verändert. Damals begann in den USA die Politik der zügellosen Staatsverschuldung, und die US-Notenbank senkte ihre Zinsen extrem weit und beförderte damit die Immobilienblase“. Erst 2005 habe die Fed die Zinsen wieder angehoben. „Aber da war die Immobilien- und Kreditblase längst entstanden“, so Schäfer. „9/11 war der Brandbeschleuniger, der die Explosion an den Finanzmärkten entscheidend verstärkt und ihr diese Wucht verliehen hat.“ Die gigantische Schuldenpolitik unter US-Präsident George W. Bush habe es zudem „den Chinesen überhaupt erst ermöglicht, zum größten Gläubiger der Vereinigten Staaten aufzusteigen“.

Unter Leitung des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW) arbeitet seit 2002 eine Forschergruppe, die sich aus ökonomischer Sicht mit der Terrorismusbekämpfung und den damit verbundenen Kosten befaßt. Sie kommt zu dem Schluß, daß die aktiven Sicherheitsmaßnahmen in keinem Verhältnis zu ihrem Effekt stehen. „Die Terrorbedrohung wirkt längerfristig wie eine Steuer“, sagt Tilman Brück, Leiter der Abteilung Weltwirtschaft des DIW.

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