© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/11 / 09. September 2011

Bernd Hilder. Der Konservative soll neuer Chef des MDR werden. Bringt er frischen Wind?
Unter Blinden
Christian Vollradt

Machen wir uns keine Illusionen: Für bestimmte Posten braucht man einfach (nur) das richtige Parteibuch. Das gilt vor allem dort, wo es öffentlich-rechtlich zugeht, also etwa auf der Führungsebene bei Funk und Fernsehen. Im Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) steht Ende September die Neubesetzung des Intendantenpostens an, und der Verwaltungsrat präsentierte am Montag seinen Favoriten: Bernd Hilder, zur Zeit Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung (LVZ).

Der 52 Jahre alte Journalist wird als „Wunschkandidat der sächsischen Staatskanzlei“ apostrophiert und wohl nicht zu Unrecht „unionsnah“ genannt, hat  – wenn auch kein tatsächliches – doch quasi ein „gefühltes“ Parteibuch. Damit ist er, wie Umfragen in der Branche belegen, ein Exot unter den Kollegen, die sich mehrheitlich als zumindest „eher links“ bezeichnen (JF 15/11).

Das macht die Arbeit an leitender Stelle nicht immer einfach, wie Hilder in seiner Karriere schon erfahren mußte. Sie führte ihn nach Jura- und Politikstudium zum Sender Freies Berlin, bevor er ab 1989 als Hörfunkkorrespondent der ARD in Washington und Mexiko-Stadt tätig war. 1995 zog es den gebürtigen Bückeburger wieder in die Heimat, als Chefredakteur der Schaumburger Nachrichten. Von 2000 bis 2003 leitete er das ebenfalls zum Hannoveraner Madsack-Konzern gehörende Göttinger Tageblatt. Dort trauern ihm bürgerliche Leser heute noch nach, weil unter Hilders Ägide nicht nur der Satz der „Leine-Prawda“ aufgehübscht wurde, sondern auch eine Perestroika politischer Ausgewogenheit begann – jedenfalls dann, wenn der Chef selbst in die Tasten griff. Die extrem linkslastige Lokalredaktion jedenfalls jubilierte, als Hilder genervt von internen Auseinandersetzungen zur LVZ floh. Immerhin – so resümierte er einmal in kleinem Kreise – habe er in Göttingen die Unsitte beenden können, etwa eine Prügelei ausländischer Jungmänner mit der Überschrift „Streit unter Touristen“ zu verschleiern.

Ausmisten müßte der amtierende Sprecher des Deutschen Presserates auch im MDR, sollte er am 26. September zum Nachfolger von Udo Reiter gekürt werden. Der Sender machte zuletzt negative Schlagzeilen mit Korruption im Kinderkanal oder dem stasi-belasteten Ex-Unterhaltungschef  Udo Foht. Doch auch ohne den balkanartigen Sumpf wäre die zwanzigjährige Ära Reiter eine komplette Enttäuschung. Denn im eigentlichen Wortsinne „konservativ“ ist beim MDR außer den Föhnfrisuren seiner Nachrichtensprecher überhaupt nichts: nicht das kitschige Heititei der „Volks“-Musik, schon gar nicht die impertinente Ostalgie-Orgie – und selbst das vielgerühmte Fernsehballett ist bloß Zonenrandrelikt.

Was könnte man von einem Intendanten Bernd Hilder erwarten? Sprichwörtlich ist der Einäugige bloß unter den Blinden König, macht eine Schwalbe noch keinen Sommer ... Machen wir uns also keine Illusionen.

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