© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/11 / 02. September 2011

Frisch gepresst

Nolte. Wer von den „Späten Reflexionen“ des Berliner Geschichtsdenkers Ernst Nolte, Jahrgang 1923, milde Altersweisheiten befürchtet, wird auf jeder Seite angenehm enttäuscht. Denn keins der zahlreichen Bücher Noltes bietet ein vergleichbar aufregendes Provokationspotential. In der Kunst der Zuspitzung, in der Fähigkeit des geschulten Dialektikers, „erhellend-verstörende Fragen“ stellen zu können, um die volkspädagogisch wattierten „Wahrheiten“ über die Geschichte des 20. Jahrhunderts als Ideologien zu entlarven, zeigt dieser Band Nolte auf der Höhe seiner Meisterschaft. Wer dieses Lob überprüfen möchte, steige noch vor den brisanten Kapiteln „Juden, Judentum, ‘jüdischer Bolschewismus’“ oder „Auschwitz und Holocaust“ in den Abschnitt „Adolf Hitler“ ein, wo Nolte es wagt, neben Verfehltem auch „Richtiges“ in der Ideologie des verfemten Führers und Reichskanzlers zu diskutieren. Auch notorische Nolte-Hasser sollten hier mit der Lektüre beginnen, um sich an die Kollapsgefahr zu gewöhnen, der sie dieser Autor Seite für Seite aussetzt. (wm)

Ernst Nolte: Späte Reflexionen. Über den Weltbürgerkrieg des 20. Jahrhunderts. Karolinger Verlag, Wien, Leipzig 2011, gebunden, 316 Seiten, 24 Euro

 

EU-Beitritt. Im Vorwort rühmt Altbundeskanzler Gerhard Schröder den ehemaligen polnischen Ministerpräsidenten Leszek Miller als einen der „großen Gestalter in der polnischen Geschichte“. Hat man die anschließenden 350 Seiten von dessen Erinnerungen, die ihn als maßgeblichen Manager des 2002 besiegelten EU-Beitritts Polens ausweisen, zur Kenntnis genommen, ist einem weder ein großer Gestalter noch ein großer Autor begegnet. Letztlich waren es nämlich wieder einmal finanzielle Zugeständnisse aus Berlin, die Millers innenpolitische Position gegenüber der Landwirtschaftslobby verbesserten, die polnische EU-Akzeptanz erhöhten und zum positiven Beitritts-Referendum führten. Miller präsentiert sich in diesem Prozeß als zäher Verhandler, dem es fernlag, Polens nationale Interessen zugunsten einer Brüsseler „Gemeinschaft“ zu opfern. Die im Stil von EU-Verordnungen über Treckersitze ausgebreiteten Details seiner Verhandlungsdiplomatie, bis hin zur Auskunft über das ihm in Downing Street offerierte, gottlob „kontinentale“ Frühstück, erstickt jede Leselust. (ob)

Leszek Miller: So war das. Polens Einzug in die EU. Hoffmann und Campe, Hamburg 2011, gebunden, 351 Seiten, Abbildungen, 23 Euro

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