© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/11 / 02. September 2011

Lockerungsübungen
Der Kanzlerin Viertes Reich
Karl Heinzen

Angela Merkel hat Glück gehabt: Ihrer im Magdeburger Dom zelebrierten Auszeichnung mit dem Kaiser-Otto-Preis ist keine größere Beachtung geschenkt worden. Dabei hätte sie im Ausland eine beliebte Kampagne neu beleben können, der zufolge die Bundeskanzlerin wie weiland Otto I. nichts Geringeres betreibt als die Errichtung eines Reiches, in ihrem Falle des Vierten. Dieser neuerliche Anlauf der Deutschen, die Suprematie über den Kontinent zu erringen, kann nun als besonders perfide angesehen werden, weil der Herrschaftsanspruch unausgesprochen bleibt und nicht einmal erhoben wird. Den übrigen europäischen Völkern würde die Unterwerfung unter das Diktat der Führungsmacht nämlich schwerfallen, wenn sie den Eindruck haben müßten, sich bloß dem Willen eines Stärkeren zu beugen. So dürfen sie sich sagen, daß es ökonomische Sachzwänge sind, die ihnen ein Festhalten an Selbstbehauptung und Souveränität verwehren.

Tatsächlich ist Angela Merkel sowohl konzeptionell als auch hinsichtlich ihrer staatsmännischen Virtuosität aus dem Schatten der drei prominentesten Europapolitiker herausgetreten, die im 20. Jahrhundert unser Land prägten. Als der einfältigste, aber leider auch wirkmächtigste von ihnen kann Hitler gelten. Er setzte auf eine gewaltsame Einigung des Kontinents und scheiterte, weil er jener Epoche verhaftet blieb, aus der es durch ein derartiges Projekt eigentlich herauszutreten galt.

Adenauers Verdienst war es, von der europäischen Idee zu retten, was nach ihrem Mißbrauch noch zu retten war. Die Lage des besiegten und geteilten Reiches zwang ihn jedoch zu einer nationalistischen Politik wider Willen. Europa degenerierte zur Camouflage für einen Wiederaufstieg Deutschlands, wie klein es auch geworden war und wie demütig es sich auch gab.

Kohl wiederum knüpfte als erster Kanzler wieder an Bismarck an, ohne ihn jedoch zu überragen. Unter der Fahne der europäischen Einigung gelang ihm allein die deutsche. Mit dem Schachzug, die nationale Währung preiszugeben, sicherte er jedoch Berlin die Kontrolle über die gemeinschaftliche.

Dieses Werk kann Angela Merkel nun vollenden. Die Tradition, in die sie in Magdeburg gestellt wurde, ist dabei mehr als eine nur symbolische. Es wäre allerdings fatal, wenn die Europäer das Geschichtsbewußtsein aufbrächten, sie zu durchschauen.

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