© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/11 / 02. September 2011

Auf Kriegsfuß
Im Vorfeld das Potential verfolgen: In der Wahlwerbung bleibt die deutsche Sprache häufi g auf der Strecke
Thorsten Thaler

Wahlkampfzeiten sind seit jeher schlechte Zeiten für sprachliche Feinschmecker. So heißt es jetzt vor der Abgeordnetenhauswahl in Berlin am 18. September auf einem Wahlplakat im Stadtbezirk Neukölln: „Nein zu Sarazzin! Ja zu ein respektvolles Miteinander!“ Wer mit der deutschen Sprache so auf Kriegsfuß steht und selbst den Namen des Bestsellerautors Thilo Sarrazin falsch schreibt, dürfte von dessen integrationspolitischen Thesen noch weniger Ahnung haben. Zur Entschuldigung immerhin könnte man anführen, daß Yusuf Bayrak, der mit diesen Plakaten für die von Muslimen gegründete Partei Bündnis für Innovation & Gerechtigkeit (BIG) ins Abgeordnetenhaus gewählt werden will, in der Türkei geboren wurde und erst seit rund dreißig Jahren in Berlin lebt.

Welche Erklärung die Hauptstadt-CDU für ihre Fehlleistungen hat, ist hingegen nicht ersichtlich. In einer Wahlwerbung ist zu lesen, um die Rituale von Gewalt und Ausschreitungen zu beenden, werde die Union „zielgerichtet im Vorfeld sowohl den Rechtsextremismus, als auch das linksautonome Gewaltpotential (…) an der Begehung von Straftaten (…) wirkungsvoll hindern und strafrechtlich verfolgen“. Bitte? Wie kann eine Ideologie („Rechtsextremismus“) Straftaten begehen? Und wat is‘n Potential? Da stelle mer uns mal janz dumm und da sage mer so: En Potential, dat is en Vermögen zur Leistungs-, Wirkungs- oder Handlungsfähigkeit. Doch wie kann ein Potential strafrechtlich verfolgt werden?

Vor allem: Wie ernst kann es eine Partei meinen, die so gedankenlos formuliert? Merke, Wähler: An ihrer Sprache sollt ihr sie erkennen!

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