© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/11 / 26. August 2011

„Ein Leben ohne Mops ist möglich“
Nachruf: Der Humorist Bernhard Victor Christoph-Carl von Bülow alias Loriot ist ein Meister der Selbstironie gewesen
Friedrich Tulzer

Der Zweite Weltkrieg zwingt ihn nach Osten. Beim Zusammenbruch ist er Oberleutnant bei den Panzergrenadieren. Hoch dekoriert mit dem Eisernen Kreuz Erster Klasse. Sein Vater, zu dem er immer eine tiefe Beziehung hatte, rät ihm zur Ausbildung der Hamburger Kunstschule. Nach der Ausbildung dort kämpft er sich aus peinvoll bitterer Armut hoch – mit seiner nachmaligen Frau Romi, mit der er bis an sein Lebensende eine denkbar harmonische Ehe führt.

Ungeachtet seiner Herkunft ist er plötzlich auf das von ihm Erlernte, auf sein riesiges Talent und seine geistige und psychische Mobilität angewiesen. Er beginnt als Zeichner, Cartoonist. In den sechziger Jahren gelingt ihm der Einstieg in die deutschen Fernsehanstalten. Er ist genialer Schauspieler in ungezählten Rollen, Drehbuchautor und Regisseur, in diesem Punkt wahrscheinlich nur Charlie Chaplin vergleichbar. Er inszeniert Opern. Dann folgen leider nur zwei Kinofilme – „Ödipussi“ und „Pappa ante portas“.

Unter den vielen Auszeichnungen ist der Ehrenpreis der Deutschen Filmakademie Lola (2009) zu nennen. Die Begründung: Er habe seit mehr als fünfzig Jahren Deutschland mit seinem feinsinnigen Humor bereichert, seine beiden Filme seien Höhepunkte deutscher Komödienproduktion, beide unvergleichlich in ihrem Witz und ihrer intellektuellen Brisanz. Kein anderer habe in den vergangenen Jahrzehnten ein vergleichbares Niveau erreicht. Auch wenn er nur zwei Langfilme gedreht habe, so sei er doch zum Vorbild für jene geworden, die sich auf diesem Felde bemüht hätten.

Freilich hat er viele berühmte Fürsprecher seiner Kunst gehabt: Odo Marquard, Joachim Kaiser, Walter Jens, Wolfgang Hildesheimer, Marion Gräfin Dönhoff und Patrick Süskind. Dennoch hat auch sein Werk bis heute unter der Arroganz zu leiden, die selbsternannte Kulturkritiker der komischen Kunst entgegenbringen, obwohl das Phänomen der Komik die Geister zwischen Aristoteles und Sigmund Freud intensiv beschäftigt hat. Es gab nach dem Kriege keinen scharfsichtigeren Diagnostiker, der den Individuen und ihren Gesellschaften zusah.

Und seine Komik hatte mehr als Unterhaltungswert, sie war eine Therapie gegen die melancholische Grundstimmung der Deutschen. Oder wie er in seiner wesensimmanenten Zurückhaltung formuliert: „Eines ist sicher: Moral ohne Witz ist auch dann noch unerträglich, wenn sie durch Melancholie geadelt sein sollte. Wenn man etwas Bestimmtes an den Mann bringen möchte, dann sollte man es in einer Form tun, die den anderen nicht zwingt, das Visier zuzumachen.“ Er war konservativ und gleichzeitig ein Aufbrecher des deutschen Spießbürgertums: „Ich liebe die Ordnung, weil es ungeheuer reizvoll ist, sie zu unterlaufen.“

Er hielt Formen und Manieren hoch, weil man nur mit ihnen einander etwas sagen könne. Ohne sie könne man einander nichts mehr sagen. Wer ihn persönlich gekannt hat, war von diesem denkbar vornehmen Habitus tief beeindruckt. Er liebte seine preußische Heimat und seine Geburtsstadt Brandenburg glühend. Fontane gehörte zu seiner Bettlektüre.

Der mecklenburgische Adelssproß litt unter der Selbstvergessenheit der Deutschen, bewunderte den deutschen Widerstand um Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seinen Kreis. Kurz vor der Wende unterlief er die Mauer, indem er 1988 seinen ersten Kinofilm in Ost- und West-Berlin an einem Tage zur Aufführung brachte.

Sein Werk hätte der Jugend viel zu sagen. Gerade für sie hatte er stets ein großes Gespür, wie viele Auftritte beweisen. Die Sinnkrisen der Gegenwart haben sich im Vergleich zu dem Zeitpunkt, als er sie erkannt hatte, rasend verstärkt. Als Humorist war er Sinnstifter. Walter Jens sagte über ihn: „Er ist ein Meister der Eigenschaft, die Fontane die schönste nannte, ein Meister der Selbstironie. Seine große Kunst läßt sich auf den Augenblick und die Stunde ein und transzendiert sie auf diese Weise.“ Seinen Künstlernamen entnahm er dem Familienwappen: ein Pirol, jener Vogel der im Mecklenburger Platt „Vagel Bülow“ und auf französisch „Loriot“ heißt. Am Montag ist Bernhard Victor Christoph-Carl von Bülow im Kreise seiner Familie 87jährig verstorben.

 

Dr. Friedrich Tulzer ist Germanist und Verfasser des Buches „Anregungen zu Loriot“ (Stuttgart 2009).

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