© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/11 / 26. August 2011

Übergangslösung
Biosprit widerspricht dem Nachhaltigkeitsgebot / Lobby-Politik für Industrie und Landwirtschaft
Peter Schuster

Die Energiewende Angela Merkels begleitet ungewohntes nationales Pathos. Heißt es doch in den im Juni verabschiedeten „Eckpunkten“ der Bundesregierung, daß „Deutschland, eines der leistungsfähigsten und wirtschaftlich erfolgreichsten Länder der Welt“, eine „gesellschaftliche Grundentscheidung“ getroffen habe zum Umbau seiner Energieversorgung. Damit hätten die Deutschen als Wirtschaftsstandort und Exportnation das Tor zum regenerativen Zeitalter aufgestoßen. Was sich auszahlen werde, denn Deutschland sei nach dem Atomausstieg auf dem Weg zu einer „der fortschrittlichsten und ener­gieffizientesten Volkswirtschaften der Welt“ (Umwelt, 7-8/11).

Hoffnung sind Biokraftstoffe der „zweiten Generation“

Die Bundesrepublik als ökologische Welt- und Supermacht? Dazu scheint zu passen, daß man mit großem Abstand bereits Europameister in der Produktion von Biodiesel ist, worauf der Frankfurter Chemiker Gerhard Kreysa, bis 2009 Chef der Dechema, in einem kritischen Artikel über Biokraftstoffe hinweist (Chemie in unserer Zeit, 12/10). Doch Kreysas Ausführungen, die Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt (wegen ihres Rapsertrags) anfangs in den Rang eines „Weltzentrums der Biodieselproduktion“ hieven, stimmen am Ende nur wenig mit dem Energiewende-Enthusiasmus der Merkel-Regierung überein.

Das vorhandene Potential der Bioener­gienutzung reiche nicht aus, um den Bedarf der Menschheit mit Bioenergie zu decken. Deshalb habe Ende 2008 bei den Politikberatern der Bundesregierung ein deutliches Umdenken eingesetzt. Der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen (WBGU) hat damals in klaren Worten einen Ausstieg aus der Förderung flüssiger Biokraftstoffe empfohlen. Eine solche Politik sei in Industrieländern unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten nicht zu rechtfertigen. Statt dessen sollte alles getan werden, um die Elektromobilität zu fördern. Eine Empfehlung, die inzwischen bei der Forschungsförderung der Unions/FDP-Koalition beherzigt wurde.

Ganz in der Sackgasse sieht Kreysa die Erzeugung von Biosprit jedoch noch nicht angekommen. Zumal auf diesem Sektor seit langem lobbyistische Interessen in Industrie und Landwirtschaft entstanden sind, die auf einen Entzug von Fördermitteln und eine Umsteuerung auf Stromerzeugung und -nutzung in Elektrofahrzeugen mit „fast unüberwindlichem Widerstand“ reagieren würden.

So bleibe nur die Hoffnung auf flüssige Biokraftstoffe der „zweiten Generation“, die sich aber noch weitgehend in der Entwicklung befinden. Auch damit angetriebene Pkw seien Elektromobilen zwar weit unterlegen. Aber mit Biomethan und BTL (Biomass to Liquid-Kraftstoff, JF 9/11) im Tank fahre ein mit dem Jahresertrag von einem Hektar Land versorgter Kraftwagen 65.000 Kilometer. Mit Biodiesel aus Raps, Rapsöl oder Bioäthanol aus Getreide endet die Fahrt hingegen schon bei 20.000 Kilometern, und der negative Treibhauseffekt bleibt dabei noch unberücksichtigt. Auch energiewirtschaftlichen Laien sei damit klar, daß die heute verwendeten flüssigen Biokraftstoffe „nicht mehr als eine Übergangslösung“ sein dürfen.

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