© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/11 / 26. August 2011

Auch heute noch Vorbild
Die Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft und der große Preußenkönig Friedrich II.
Hans-Joachim von Leesen

Ein Seminar über Friedrich den Großen? Ist das nicht eine dröge Wiederholung aus dem Geschichtsunterricht? Nicht, wenn untersucht wird, welche Bedeutung der Preußenkönig für die heutige Bundesrepublik Deutschland hat, und wenn gefragt wird, welche Fundamente er gelegt hat und worin er vorbildlich bleibt, kurz, wenn man Friedrich II. aktualisiert. Und das haben die drei Fachleute unternommen, die sich im Frühjahr des Themas auf einem Tagesseminar der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft in Hamburg angenommen hatten. Die ausführliche offene Diskussion mit den Teilnehmern tat ihr übriges, um der Veranstaltung für die etwa 125 Besucher zu einem Gewinn zu machen.

Großtat des Preußischen Allgemeinen Landrechts

Diese Referate zusammen mit dem Wortlaut der Debatte sind in der jüngst erschienenen neuesten Ausgabe des Deutschland-Journals zusammen gefaßt unter dem Titel „Friedrich der Große – seine Bedeutung für das heutige Deutschland“. „Was schert uns heute Friedrich der Große?“ fragte eingangs Manfred Backerra, der das Seminar geplant und geleitet hat. Und er antwortete mit Jacob Burckhardt: „Große Männer, die als Ideale fortleben, haben einen großen Wert für die Welt und für ihre Nationen, denn sie erzeugen Enthusiasmus, (...) sie halten einen hohen Maßstab der Dinge aufrecht, sie helfen zum Aufraffen aus zeitweiliger Erniedrigung.“

Daß es an solchen Persönlichkeiten in der Bundesrepublik mangelt, darin dürfte man sich einig sein. Der frühere Bundesrichter Peter Macke eröffnete den Reigen der fundierten Referate, indem er sich mit der Gerichtspflege in der Zeit Friedrichs des Großen unter dem Titel „Allein die Gesetze sollen herrschen“ befaßte. Das gerade war die Errungenschaft Preußens zur Zeit des großen Königs: die Entwicklung des „Preußischen Allgemeinen Landrechts“. Sie wurde zum Hauptwerk und Glanzstück der preußischen Rechtsordnung, durch die Preußen zum ersten modernen europäischen Rechtsstaat aufstieg. Auch der Herrscher stand unter den Gesetzen, die soviel Zwang wie eben nötig, und soviel Freiheit wie eben möglich garantieren sollten. In der Diskussion wurde gefragt, ob es nicht angesichts mancher unverständlicher Urteile und ihrer Begründung wünschenswert wäre, daß sich heute die Öffentlichkeit etwa durch die Medien in Prozesse einmischt. Der Referent warnte dringend vor einer solchen Entwicklung. Der Richter müsse unabhängig bleiben und dürfe nicht weiteren Einflüssen von Parteien und Medien ausgesetzt werden. Wenn ein Urteil unverständlich ist, könne die nächste Instanz angerufen werden.

Wolf Straubel vom Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam befaßte sich mit der Justiz und Verwaltung zur Zeit Friedrichs. Während vordem die Justizverwaltung häufig Ruheplätze für inkompetente Vorgesetzte abgab, die zwar keine Fachkenntnisse besaßen, wohl aber dem Adel angehörten, schaffte Friedrich der Große solche Pfründe ab. Er setzte auch hier das Leistungsprinzip durch und baute durch scharfe Schnitte die ausgeuferte Bürokratie ab. Von Amtsinhabern wurde ein abgeschlossenes Studium verlangt. In der Diskussion wies man darauf hin, daß heutzutage bei der Vergabe von Posten zunehmend auf die Qualifizierung weniger Wert gelegt werde als auf das Parteibuch. Das wurde allgemein als Rückschritt hinter die Zeit des großen Friedrich empfunden. Kritisiert wurde die Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte an die Politik. Allgemeine Zustimmung fand die Forderung, die Unabhängigkeit der Staatsanwälte zu stärken.

Der emeritierte Historiker Wolfgang Stribrny, der sich einen Ruf als Verteidiger der Monarchie erworben hat, sprach über die „Politik der praktischen Vernunft zum Wohle der Bürger“. Dazu gehörte, daß in Preußen bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts die allgemeine Schulpflicht für Mädchen und Jungen eingeführt worden war (in Frankreich erst 1881, in England 1884). Preußen war der erste Staat, der die Sklaverei abschaffte. Auf die selbstgestellte Frage, warum Friedrich nach heutigen Maßstäben groß zu nennen ist, antwortete Stribrny, weil Preußen der erste Staat der Welt war, in dem Glaubensfreiheit herrschte, weil er der erste moderne Rechtsstaat auf dem Kontinent wurde, weil in Preußen als dem ersten großen Land der Welt die allgemeine Schulpflicht durchgesetzt wurde und weil in Preußen nicht Sprache oder Glaubensbekenntnis entscheidend waren, sondern Treue zum König und zur Staatsidee.

Die Broschüre endet mit der Wiedergabe von politischen Testamenten Friedrichs des Großen, deren Lektüre manche Überraschung birgt. Über viele auch heute noch modern wirkende Forderungen Friedrichs. Auch sie bestätigen den abschließenden Satz Manfred Backerras: „Friedrich, ein durchaus fehlerhafter Mensch, kann als großer König auch heute noch Vorbild sein.“

Bild: Friedrich der Große, einziges Porträt des Preußenkönigs, zu dem er 1763 persönlich Modell gesessen hat: Politik der praktischen Vernunft zum Wohle der Bürger

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