© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/11 / 26. August 2011

Agenda 2020
Vertriebenenzeitschriften müssen sich neu erfinden / Aktualität und Internet Schlüssel zum Erfolg
Bernhard Knapstein

Wenn Jan Heitmann, der neue Chefredakteur der Preußischen Allgemeinen (PAZ), die Redaktionsräume seiner Wochenzeitung verläßt, dann blickt er rechts auf die Außenalster. Vielleicht denkt er manchmal an den Schloßteich von Königsberg oder an das Kurische Haff. Aber nur selten.

Seit acht Jahren gibt sich die PAZ runderneuert: mit ostpreußischen Wurzeln zwar, aber gesamtdeutsch und konservativ. Heimatromantik spielt nur noch eine untergeordnete Rolle. Inzwischen wird das Blatt auch am Kiosk verkauft. Wieder ein Schritt weg vom „Verbandsorgan“.

Entstanden ist die PAZ wie die anderen Vertriebenenzeitungen nach der großen Flucht- und Vertreibungswelle. Es galt, nach den Kriegswirren Familien zusammenzuführen und Kunde vom Schicksal von Freunden zu erlangen. Mit dem Aufbau eigener Zeitungen wurde der bessere Informationsfluß innerhalb der Flüchtlingsgruppen gewährleistet. So entstanden 1948 Der Schlesier, 1950 Das Ostpreußenblatt und 1951 das Pommernblatt – allesamt Wochenzeitungen, deren Auflagen so hoch waren wie das Bedürfnis nach Information damals. Der Schlesier hatte 1953 die gewaltige Auflage von 200.000 erreicht, und auch das Ostpreußenblatt empfingen Ende der fünfziger Jahre knapp 130.000 Abonnenten – die zwei gehörten zu den größten deutschen Wochenzeitungen. Bereits ab 1960 begannen aber die Auflagen zu sinken.

Hohes Durchschnittsalter der Leserschaft

Mehr als sechs Jahrzehnte nach Flucht und Vertreibung hat sich analog zu den Verhältnissen in den Landsmannschaften auch auf deren Medienmarkt viel getan. Nicht alle Zeitungen haben überlebt. So wurde zuletzt etwa 2009 das Magazin Unser Danzig eingestellt. Die verbliebene Leserschaft wird nun von der Monatszeitung Der Westpreuße mitbedient, die mit einer Auflage von circa 4.000 in Münster erscheint. Inhaltlich ist das Tabloid ein reines Verbandsorgan mit hohem, aber werthaltigem Anteil an historischer Heimatkunde.

Unter dem gleichen Problem leidet die im Schweizer Format erscheinende Pommersche Zeitung (das frühere Pommernblatt), deren Auflage deutlich unter 10.000 liegen dürfte. Auf Aktualität setzt indessen das unabhängige Magazin Oberschlesien und das auflagenstärkere „Schwesterblatt“ Schlesien heute. Beide werden in Görlitz produziert, widmen sich schlesischen Tagesthemen und erreichen neben Leser in der Bundesrepublik auch immer mehr in Schlesien selbst.

Die Sudetendeutsche Zeitung spiegelt den hohen Grad an politischer Anerkennung wider. Dies verwundert wenig, da die Landsmannschaft mit eigenen Vertretern in der CSU und in den Parlamenten verwurzelt ist und somit noch immer über eine gute Lobby verfügt. Da die Sudetendeutsche auf allgemeinpolitische Themen aber verzichtet, muß auch sie als reines Heimatorgan gewertet werden. Politische Tiefenwirkung in sudetendeutscher Sache vermittelt eher der kleine Witikobrief, der vom nationalkonservativen Flügel der Sudetendeutschen, dem Witikobund, herausgegeben wird.

Da die Rußlanddeutsche Landsmannschaft, durch Spätaussiedler bedingt, noch sehr jung ist, kann ihr Monatsorgan Volk auf dem Weg (Auflage 14.000) über eigene Vertreter in der Volksmusik und im Sport erfrischend aktuell berichten. Auch die Integrationspolitik ist hier ständiges Thema.

Den auffälligsten Wandel hat Der Schlesier absolviert, der bis vor kurzem ein unattraktives, fast reines Leserbriefmedium war. 2010 hat der Kieler Verleger Dietmar Munier das Blatt erworben. Optisch aufgebessert, bleibt der Schlesier dennoch inhaltlich dünn, der Kommentar überwiegt auch nach wie vor die politische Analyse. Als Wochenzeitung mit allgemeinpolitischem Anspruch kann er mit der PAZ nicht konkurrieren.

Bei den Informationsdiensten im Bund der Vertriebenen (BdV) sind lediglich der Deutsche Ostdienst (DOD) und die Deutsche Umschau erwähnenswert. Beide Magazine bedienen vor allem Multiplikatoren des Verbandes.

Es ist allein die Preußische Allgemeine Zeitung (PAZ), vormals Ostpreußenblatt, die es mit ihrer wertkonservativen und allgemeinpolitischen Berichterstattung als Vertriebenenorgan geschafft hat, Leser über die klassische Klientel hinaus zu gewinnen. Die Zeitung erscheint im Rheinischen Format und kostet am Kiosk 2,40 Euro. Die Redaktion nutzt die neuen Medien. PAZ-Artikel werden bei Google-News angezeigt, finden Eingang in ein kostenlos nutzbares Online-Archiv und werden über Facebook verlinkt. Nur das Twitter-Profil ist verblüffend ungenutzt.

So unabhängig sich die PAZ auch geriert, ihr Auftreten kann nicht kaschieren, daß sie überwiegend eine Vertriebenenzeitung ist. Der Nicht-Ostpreuße ist bei acht von 24 Seiten zu Heimat und Landsmannschaft als Leser nur schwer zu gewinnen. Die Anziehungskraft auf „ostpreußische“ und „preußisch-konservative“ Leserzirkel versucht die Zeitung nach wie vor herzustellen. Nur wenn ihr das gelingt, dann hat sie eine Chance weiterzubestehen.

Auf die Frage, was ein Nachwuchsjournalist bei der PAZ mitbringen sollte, sagt Heitmann knapp: „Er muß gut sein.“ Qualität ist das einzige, was zählt. Die landsmannschaftliche Herkunft spiele keine Rolle, habe sie auch noch nie, betont er. Gleichzeitig stellt er aber klar, auch in zehn Jahren werde noch „viel Ostpreußen“ in der Zeitung stecken. Schließlich habe Ostpreußen einen profunden Beitrag zur Entwicklung deutscher Kultur und Identität geleistet und werde in Zukunft als Brücke zwischen Ost- und Mitteleuropa eine immer größere Rolle spielen.

www.preussische-allgemeine.de

www.deutscheausrussland.de

www.westpreussen-online.de

www.pommern-z.de

www.schlesien-heute.de

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