© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/11 / 26. August 2011

Kämpfer für ein neues Amerika
Ron Paul „for President“: Der Wegbereiter der Tea Party will es noch einmal wissen
Robert Grözinger

Als Matt Strawn, Chef der Republikaner in Iowa, die Resultate der traditionellen Probeabstimmung für die Nominierung ihres Präsidentschaftskandidaten verlesen sollte, stand ihm die Angst ins Gesicht geschrieben. Statt sich wie üblich bei der Stimmenzahl bis zum Sieger hochzuarbeiten, verkündete er am 13. August lediglich die Gesamtstimmenzahl und sagte: „Die Gewinnerin ist die Kongreßabgeordnete Michele Bachmann. Vielen Dank, und schönen Abend noch.“ Auch die US-Hauptmedien verschwiegen darauf den Zweitplazierten, der mit 4.671 nur 152 Stimmen weniger als seine Kollegin erhalten hatte, während sie Bachmann (JF 26/11) als neue Mitfavoritin feierten.

Noch nie war so offensichtlich geworden, daß die Hauptmedien und deren Geldgeber Ron Paul, seine Ideen und seine stetig wachsende Anhängerschaft fürchten. Kein Wunder: Pauls Ziel ist es, die letzten 100 Jahre US-Geschichte, nämlich den Wandel von einer Republik zu einem Imperium, zu revidieren.

Bereits 1988 kandidierte der heute 76jährige Paul, damals als Mitglied der Libertären Partei, zum Amt des Präsidenten. Er erhielt knapp 500.000 Stimmen. 2008, inzwischen wieder Republikaner, versuchte er es nochmal und errang in den Vorwahlen etwas mehr als eine Million Stimmen. Für die Nominierung seiner Partei reichte das zwar nicht. Seine Kandidatur löste dennoch eine unerwartete Nebenwirkung aus, die heute die Innenpolitik der USA mitbestimmt: die Tea-Party-Bewegung.

Gegner der weltweiten US-Militärpräsenz

Jahrzehntelang stimmte Paul im Kongreß prinzipienfest gegen Steuererhöhungen, unausgeglichene Haushalte und gegen eine unendliche Reihe von Regulierungen, die seiner Meinung nach nicht von der Verfassung gedeckt sind. Gleichzeitig trat er konsequent für solide Geldpolitik und gegen Bailouts für Banken und Konzerne ein. Seine für Politiker ungewöhnliche, konsistente Integrität bescherte ihm ab 2007 eine große, enthusiastische, junge und gebildete Fangemeinde, die ihm zur überraschend hohen Spendensumme von etwa 35 Millionen Dollar verhalf.

Bis dahin galt Paul als der Außenseiter. Doch als in der Krise Bailout auf Bailout folgte, fielen die Aussagen des Sohns eines deutschstämmigen Milchbauern aus Pennsylvania zunehmend auf fruchtbaren Boden. Paul wurde über Nacht zum gefragten Mann. Als die versprochene Wirtschaftserholung nicht eintrat, sorgte die Empörung im vergangenen Jahr für eine Rekordniederlage der Demokraten bei der Kongreßwahl. Aber auch Republikaner, die der Tea Party nicht radikal genug waren, wurden abgestraft.

Die Parteiführung und die anderen Präsidentschaftskandidaten zogen daraus ihre Lehren und paßten sich ein wenig den Aussagen Pauls an. Die dramatische Konfrontation zwischen Obama und den Republikanern über die Erhöhung der Verschuldungsgrenze läßt sich unmittelbar auf den ohne Paul undenkbaren Erfolg der Tea Party zurückführen.

Eines trennt den studierten Mediziner jedoch von vielen Wutbürgern: seine nichtinterventionistische Außenpolitik. Nicht wenige erzkonservative und christlich-fundamentalistische Tea-Party-Anhänger sind Unterstützer einer starken US-Militärpräsenz weltweit. Paul dagegen hält eine „imperialistische“ US-Politik für nicht finanzierbar und sieht in ihr die Hauptursache für islamischen Terror und ausufernden Polizeistaat.

Als eine der ersten Amtshandlungen plant er daher den Truppenabzug aus dem Nahen Osten und die Schließung von weltweit etwa 800 Militärbasen. Mit dem gesparten Geld will er die Finanzierung bereits bestehender Sozialleistungen sichern. Jüngere bekämen dagegen die Möglichkeit, aus diesem „Schneeballsystem“, wie er es nennt, auszusteigen.

Obwohl die Logik für Paul spricht, ist es eine offene Frage, ob es ihm gelingen wird, eine hinreichende Zahl von Konservativen für sich zu gewinnen. Immerhin aber hat der Air-Force-Veteran im vergangenen Quartal mit etwa 36.000 Dollar mehr Spenden von aktiven Militärangehörigen erhalten als alle republikanischen Kandidaten zusammen.

Enttäuschte Obama-Wähler setzen nun auf Ron Paul

Außerdem: In diesen turbulenten Zeiten ist vieles möglich. Zum Beispiel, daß eine von Obama enttäuschte, eher linke Antikriegsbewegung in Paul eine Alternative erblickt. In der einflußreichen linksliberalen Onlinezeitung Huffington Post schrieb Robin Koerber, wer den Frieden liebe, solle Ron Paul wählen. Nachdem Obama mit der Fortsetzung des Afghanistankrieges, dem Beginn weiterer Konflikte im Nahen Osten, Bailouts und Bürgerrechtseinschränkungen alle progressiven Kräfte enttäuscht habe, könne kein Progressiver mehr guten Gewissens für ihn stimmen. Statt dessen sollten sie den Republikanern beitreten, um Pauls Aufstellung als Kandidat zu unterstützen.

Doch Paul hat mächtige Widerstände zu überwinden: Lobbyisten der Rüstungsindustrie, ein Heer von Bürokraten und eine weit verbreitete Anspruchshaltung. Man wird aber trotzdem mit ihm rechnen müssen. Verglichen mit dem entsprechenden Zeitpunkt vor der letzten Wahl hat Paul weit bessere Umfrageergebnisse, dazu viel mehr Geld in der Kasse. Ergo wirkt Paul ungewöhnlich kämpferisch. Doch ob er nun gewinnt oder nicht: Die freiheitlichen Ideen, die er vertritt, finden immer mehr Anklang. Darauf, so versichert Paul, komme es ihm letztlich wirklich an.

Robert Grözinger ist Autor des Buches „Wer ist Ron Paul – Der Kandidat aus dem Internet“, Lichtschlag-Verlag 2008

Foto: Fragile Eintracht zwischen republikanischen Konkurrenten: Michele Bachmann begrüßt Ron Paul

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