© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/11 / 26. August 2011

Der freundliche Herr K.
Berlin: Kretschmann läßt Künast alt aussehen
Marcus Schmidt

Er ist das, was sie noch werden möchte. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann nutzte in der vergangenen Woche die Präsentation seiner 100-Tages-Bilanz als Regierungschef, um seiner Parteifreundin Renate Künast Hilfe für den Berliner Wahlkampf zu geben. So war der Auftritt vor der Bundespressekonferenz vermutlich von den Wahlkampfstrategen geplant worden. Am Ende sah die dauerschlechtgelaunte Künast neben dem tiefenentspannten ersten grünen Ministerpräsidenten allerdings ziemlich alt aus.

Der Blick auf die Umfragen macht Künasts Dünnhäutigkeit verständlich. Während die Grünen in Baden-Württemberg trotz des nervtötenden Dauerstreits um das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 im Vergleich zum Wahlergebnis sogar noch zugelegt haben, werden die Grünen ausgerechnet zu Beginn der heißen Wahlkampfphase in der Hauptstadt nach hinten durchgereicht. Als Künast im vergangenen Herbst ihre lange erwartete Kandidatur für das Amt des Regierenden Bürgermeisters verkündete, lag ihre Partei zeitweise vor der SPD auf Platz eins. Nun liegt sie mit 22 Prozent noch hinter der CDU (23 Prozent) und nicht einmal mehr in Sichtweite der Wowereit-Partei (31 Prozent). „Ich hätte gerne bessere Umfragen“, versuchte Künast den Absturz in den Umfragen vom Tisch zu wischen.

Wenn es um das grüne Tafelsilber geht, versteht auch Kretschmann keinen Spaß.

Dabei hat sich Künast so viel vorgenommen: Berlin soll nach ihrem Willen zu einer „Mitsprachestadt“ werden, in der die Bürger bei allen wichtigen Entscheidungen mitreden dürfen. Das klingt sehr nach der vielbeschworenen „Politik des Gehörtwerdens“, die Kretschmann für seine Landesregierung in Anspruch nimmt.

Dieses Versprechen der Politik an die Bürger scheint indes ihre Grenzen zu finden, wenn es um das grüne Tafelsilber geht – etwa die Windenergie. Diese soll nach dem Willen der grün-roten Landesregierung kräftig ausgebaut werden, da sie von der CDU vernachlässigt worden sei. Als Kretschmann auf Berichte angesprochen wird, daß dafür auch die Einspruchsrechte der betroffenen Bürger eingeschränkt werden könnten, reagierte er für seine Verhältnisse äußerst unwirsch. Dabei wurde deutlich: Die Windräder werden gebaut – ob es den Betroffenen paßt oder nicht. Wenn es um grüne Glaubenssätze geht, verliert selbst der freundliche Herr Kretschmann seine gute Laune.

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