© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/11 / 26. August 2011

Polizeipräsident dringend gesucht
Berlin: Ausgerechnet die von Feuerteufeln und U-Bahnschlägern geplagte Hauptstadt leistet sich einen bizarren Streit um ihren obersten Ordungshüter
Ronald Berthold

Berlin leidet wie kaum eine andere deutsche Stadt unter Gewalt. Davon zeugt nicht nur die beispiellose Brandserie der vergangenen Tage (siehe Arikel oben). S- und U-Bahnen sind längst nicht mehr sicher, sondern Kriminalitätsschwerpunkte geworden. Prügelattacken auf Bahnhöfen sorgen deutschlandweit für Entsetzen. Aber es ist niemand da, der sich diesen Herausforderungen stellt.

Denn seit nunmehr fast einem Vierteljahr ist der rot-rote Senat unfähig, den Posten des Polizeipräsidenten zu besetzen. Und diese Vakanz wird noch weit über den Wahltermin am 18. September hinaus bestehen. Durch unglaublich amateurhaftes Verhalten hat sich Innensenator Ehrhart Körting (SPD) in diese Situation manövriert. Der 69jährige wollte Berlin einen Hardliner hinterlassen. Doch dabei hat der Sozialdemokrat ganz offensichtlich auf das falsche Pferd gesetzt.

Udo Hansen war von Anfang an ein Kandidat, der polarisierte (JF 28/11). Trotzdem wollte Körting ihn unbedingt – nicht nur weil der ehemalige Leiter des Grenzschutzpräsidiums Ost Parteigenosse ist. Der Innensenator hatte in Hansen auch ein Exemplar der aussterbenden Law-and-Order-Sozis entdeckt. Dieser hatte den Abschiebegewahrsam mit Stacheldraht umzäunen lassen. Seit ein Flüchtling beim Rückflug in die Heimat starb, beschimpft ihn die Antifa im Internet als „Mörder“.

Bei den Linken so sehr verhaßt, daß der Koalitionspartner dem 58jährigen im Senat komplett die Unterstützung verweigerte, sollte Hansen die von seinem Vorgänger zu einem Streichelzoo heruntergewirtschaftete Berliner Polizei wieder auf Vordermann bringen. Der in Ruhestand gegangene Dieter Glietsch hatte 4.000 Beamte abgebaut und die Politische Korrektheit zum obersten Mantra der Behörde erklärt – das Hissen der „Regenbogenfahne“ vor dem Polizeipräsidium inklusive.

Jetzt sollte alles besser werden. Gegen die Linkspartei setzte Körting Hansen tatsächlich durch. Doch die Freude währte nicht lange. Ein Direktionsleiter der Polizei – zufällig CDU-Mitglied – wollte ebenfalls Präsident werden, fühlte sich benachteiligt und klagte. Und gewann. Das Verwaltungsgericht kassierte die Personalentscheidung – ein peinlicher Vorgang für die Landesregierung.

Die Fragen werden immer bohrender

Die Linke hat in der Frage nun Oberwasser, und auch die Grünen jubilieren. Beiden Parteien war Hansen ein Dorn im Auge. Sie wünschen sich einen Autonomen-Versteher. Es spricht nicht unbedingt gegen den Innensenator, daß er diese Hysterie ignoriert. Absolut unprofessionell handhabt Körting jedoch den Umgang mit den Randerscheinungen des Falles. Hansen ist seit 2008 offiziell dienstunfähig. Warum, wieso, weshalb – darüber schweigen sich Körting und Hansen in der Öffentlichkeit aus. Dabei hätte diese ein Recht zu erfahren, warum er nun plötzlich gesundet und sogar so robust ist, daß er Polizeipräsident der Hauptstadt werden kann.

Ganz offensichtlich sollte die Bescheinigung der Dienstunfähigkeit vor drei Jahren Hansens Gesicht wahren. Aber dies bleibt Spekulation. Ganz im Gegensatz zu der Arbeit, die er aufnahm, obwohl er ja eigentlich schwer krank war. Der Beamte ging nach Saudi-Arabien und arbeitete dort offenbar als Berater für einen Rüstungskonzern. Das kommt in Zeiten, da schon ein Panzergeschäft mit dem Land die Bundesregierung in Bedrängnis bringt, gar nicht gut an.

Aber auch dazu hüllen sich Körting und sein Kandidat in Schweigen. Offiziell erfährt niemand, was Hansen in der Wüste getrieben hat. Nur soviel: „Er hat sich nichts zuschulden kommen lassen“, beteuert Körting. Diese Aussage ist mehr als dürftig und sollte für einen obersten Polizisten eine Selbstverständlichkeit sein. Hansen gerät durch die hartnäckige Weigerung, wichtige Antworten zu seiner Vergangenheit zu geben, immer mehr ins Zwielicht. Denn – so fragen sich Beobachter – wenn alles astrein gewesen ist, warum spricht er darüber nicht?

Je länger das Verfahren dauert, desto bohrender werden die Fragen an Udo Hansen sein. Und wenn sich Körting nach der Wahl aufs Altenteil zurückzieht, verfügt Hansen über keinen Schutzpatron mehr. Damit wäre die Personalie zum Scheitern verurteilt. Sollte Berlin irgendwann doch einen Polizeipräsidenten bekommen, wird der nicht Udo Hansen heißen.

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