© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/11 / 26. August 2011

Der Westen wankt
Überschuldung: Die Finanzkrise ist eine Krise des Geldsystems
Klaus Peter Krause

Die Finanzkrise hat einen neuen Schub erhalten, sichtbar gemacht auch durch den neuen Kursrutsch an den Aktienmärkten. Ist diese Krise, die sichtbar nun schon seit 2008 über Märkte, Staaten und Menschen wie ein Dauergewitter herniedergeht, eine Krise der westlichen Welt? Und was ist das für eine Krise? Ist diese gewaltige, länder-übergreifende Krise eine Wirtschaftskrise? Eine Kreditkrise? Eine Bankenkrise? Eine Überschuldungskrise? Eine Dollarkrise? Eine Eurokrise? Eine Staatenkrise? Eine Krise der Wirtschaftsordnung? Gar eine Krise der Marktwirtschaft? Vielleicht auch eine Demokratiekrise? Eine Politikkrise? Also eine Systemkrise?

Tatsächlich ist sie alles zusammen. Mit dem Platzen einer Immobilienblase in den Vereinigten Staaten ist sie offenbar geworden und hat auf andere Märkte, andere Wirtschaftszweige, andere Länder übergegriffen, hat mit ihren Weiterungen schwere, teils ruinöse Folgen für Banken, Unternehmen und das allgemeine Wirtschaftsleben nach sich gezogen. Von der Krise hauptsächlich getroffen sind die Länder der sogenannten westlichen Welt, an der Spitze die Vereinigten Staaten, die Länder der Europäischen Union, auch Japan. Was sie noch immer Marktwirtschaft nennen, haben sie mehr und mehr verlassen und verraten. Wo sie noch immer von Demokratie sprechen, reißt die Exekutive immer mehr Macht an sich, werden die Parlamente zu Akklamateuren erniedrigt. Wo zur Gewaltenteilung eine unabhängige Justiz gehören soll, findet politisch beeinträchtigte Rechtsprechung statt, wird Rechtsstaatlichkeit ausgehöhlt. Wo mit Gesetzen vorgeblich der Terrorismus bekämpft wird, gehen immer mehr Freiheitsrechte baden, und der liberale Rechtsstaat gleitet hinüber in einen Überwachungsstaat. Wo Politiker vorwiegend starke Lobby-Gruppen zu Lasten aller anderen bedienen und sich anmaßen, die Bürger mit vermeintlichen Wohltaten zu ihrem Glück zu zwingen, wird das Gesetzesgestrüpp immer dichter, die Steuerbelastung immer höher und der Anreiz zur Leistung, Selbsthilfe und Selbstverantwortung systematisch untergraben.

Immer mehr läuft aus dem Ruder. Zusehends wird das Bildungswesen ruiniert, Familien der einstige staatliche Schutz entzogen, immer mehr althergebrachte und bewährte Werte werden unterminiert, moralischer Verfall macht sich breit – über die „Interdependenz der Ordnungen“ (Walter Eucken) auch im Finanzgebaren von politischen Führungen, Staaten und privaten Marktakteuren.

Alles dies und anderes mehr verdichtet sich in seinem Zusammenwirken zu einer Krise. Es ist eine Krise „des Westens“, nicht nur einiger Länder allein. Und die „Finanzkrise“ ist eine Krise des bestehenden Geldsystems und insofern eine Systemkrise. Jedenfalls ist sie das aus der (plausiblen) Sicht der Österreichischen Schule der Nationalökonomie. Für diese Denkweise liegt die Ursache im staatlichen Geldangebotsmonopol und Papiergeldsystem. In diesem System wird Geld durch Kreditvergabe geschaffen und auf diese Weise die Geldmenge ausgeweitet, ohne daß entsprechende Ersparnisse dahinterstehen. Da dieses Geld durch ein knappes Sachgut wie Gold nicht (mehr) gedeckt ist, läßt es sich – unabhängig von der Gütermenge – beliebig vermehren, ermöglicht es Geldschöpfung aus dem Nichts. Damit wächst die Geldmenge stärker als die Gütermenge wachsen kann. Die beliebige Vermehrbarkeit des Geldes führt notwendigerweise, wie Ludwig von Mises und nachfolgend auch Friedrich August von Hayek in ihrer monetären Konjunkturtheorie gezeigt haben, zu Fehlallokationen der Ressourcen, zu Zyklen von Konjunkturüberhitzung und Konjunktureinbrüchen, vor allem aber zur Überschuldung. Eine Geldordnung mit staatlichem Monopolgeld entfaltet auf schleichende Weise eine zerstörerische Kraft. Mises hat den Zusammenbruch eines solchen Geldsystems als unabwendbar dargelegt.

Hinzu kommt, daß der Staat mit seiner Zentralbank auch den Zins monopolisiert, ihn manipuliert und damit einen freien (den „natürlichen“) Marktzins aushebelt. Mit ihrem Leitzinssatz, den sie fast schon auf Null gesenkt haben, betreiben die Notenbanken, angeführt von der amerikanischen „Fed“, eine Politik des billigen Geldes. Damit erleichtern sie ihren hochverschuldeten Staaten den Zinsendienst. So begünstigen sie einen verantwortungslosen Umgang mit Geld und besonders die verantwortungslose Aufnahme immer neuer Schulden. Eine solche Zinspolitik verzerrt auch die Preisbildung an den Gütermärkten und bringt die marktwirtschaftlichen Lenkungskräfte durcheinander. Mit diesen künstlich billigen Krediten werden Investitionen getätigt, die sonst vielleicht unterblieben wären, werden Güterpreise hochgetrieben und Preisblasen initiiert. Setzt die Zentralbank den Leitzins herauf, kann das den Schuldner in Zahlungsnot und die Blase zum Platzen bringen. Statt also die wirtschaftliche Entwicklung zu verstetigen, tragen staatlich manipulierte Zinssätze ein unstetes Element zusätzlich in die Märkte.

Aus einer Krise des Geldsystems herausführen kann nur der nachhaltige Wille zu einem schrittweisen Systemwechsel. Doch selbst wenn er gelänge: Es sind stets auch die Menschen, die mit ihrem Verhalten darüber bestimmen, ob das von ihnen geschaffene System dauerhaft erfolgreich ist. Das setzt eine Klugheit voraus, die es dauerhaft noch nie gegeben hat.

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