© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/11 / 19. August 2011

Auf leisen Sohlen zurück
Die Rückkehr der großen Wildtiere: Wolf, Luchs und Elch werden wieder in Deutschland heimisch
Volker König

Als vor fünf Jahren der Braunbär „Bruno“ in den Tiroler und bayrischen Alpen auftauchte, war er ein regelrechtes Medienereignis. Die Rückkehr des größten mitteleuropäischen Landraubtiers nach Deutschland galt als eine Sensation. Auch wenn der Meister Petz nur ein kurzes Gastspiel auf freistaatlichem Boden hatte und durch drei bayerische Jäger ein unrühmliches Ende fand, so steht sein Auftauchen doch symptomatisch für ein seit gut anderthalb Jahrzehnten zu beobachtendes Phänomen: Auf leisen Sohlen kehren seit Jahrhunderten ausgerottete Wildtierarten zurück.

Großkatzen benötigen weitläufige Reviere

Das erste große Raubtier, das wieder den Weg nach Deutschland fand, war der Luchs. Er war aus Mitteleuropa nie völlig verdrängt, auch wenn in Deutschland sein letztes freilebendes Exemplar im Jahr 1818 geschossen wurde. In den siebziger Jahren wanderten – trotz des „Eisernen Vorhangs“ – einzelne Exemplare aus der Tschechei bereits in den Bayerischen Wald ein. Aber Bewegung kam in den Wildwechsel erst nach der Beseitigung des Todesstreifens durch Deutschland und Europa.

Die bis 1989 hermetisch abgeriegelte Grenze zwischen den beiden Blöcken bildete nicht nur für die Menschen, sondern auch für die großen Wildtiere eine unüberwindliche Barriere. Unterstützt wird die natürliche Rückkehr des Luchses durch zusätzliche Auswilderungsprojekte.

Die Wiederansiedlung dieser Großkatze ist deshalb besonders schwierig, weil die Tiere sehr große Reviere benötigen, die sich zum Teil überlappen. Heute leben über hundert Tiere im Gebiet der Alpen, des Fichtelgebirges, des Spessarts, des Harz und des Thüringer Waldes. In manchen Regionen, etwa im Harz, ist die natürliche Populationsdichte sogar schon erreicht, denn bei den mit Peilsendern ausgestatteten Tieren ist bereits eine Abwanderung in benachbarte Gebiete zu beobachten. Luchse sind scheue Wesen, die der Mensch kaum zu Gesicht bekommt. Auf ihrem Speisezettel steht vorwiegend Rehwild, womit sie von Förstern angesichts des durch Wildverbiß bedrängten Laubmischwaldes begrüßt werden. Wo Haustiere – zumeist Schafe – ihnen zum Opfer fallen, sollen Entschädigungszahlungen deren Eigentümer besänftigen.

Die gleichen Sorgen treiben Landwirte und Tierhalter auch um, wenn es um den Wolf geht. Er ist, ebenfalls von Osten einwandernd, seit der Jahrtausendwende wieder in Deutschland heimisch (JF 42/08). Mittlerweile existieren in Sachsen und Brandenburg sechs Rudel mit zirka 50 bis 60 Tieren. Unter den westdeutschen Bundesländern weist Niedersachsen die meisten Wolfssichtungen auf.

Experten gehen davon aus, daß sich im Gebiet der Lüneburger Heide in naher Zukunft auch ein Rudel etablieren könnte. Die weiten Wald- und Moorgebiete in Niedersachsen bieten ideale Biotopvoraussetzungen. Da gehört es zur tragischen Ironie der Geschichte, daß der letzte freilebende Wolf der alten Bundesrepublik 1952 in dieser Region geschossen wurde – der „Würger vom Lichtenmoor“ lautete sein angsteinflößender Name.

Mag es an einer besonderen Verinnerlichung des Rotkäppchen-Märchens liegen oder am Vorurteil vom hinterlistigen Isegrim, der Wolf galt in Deutschland lange Zeit als Bestie, der rücksichtslos nachgestellt wurde. Auch die Rückkehr der Wölfe Anfang des 21. Jahrhunderts wurde vielerorts zunächst mit Argwohn betrachtet. Dabei sind diese irrationalen Ängste unbegründet. In den skandinavischen Ländern, aber auch in Italien und Polen ist man seit jeher daran gewöhnt, mit Wölfen zu leben.

Erfolg von konsequentem Natur- und Umweltschutz

Angriffe der scheuen Räuber auf Menschen werden von dort nicht gemeldet, und wenn, dann handelte es sich um kranke Tiere – so, wie auch ein tollwütiger Fuchs gefährlich werden kann. Und es wurde auch noch keine Region von Wölfen in ihrem Wildbestand „leer gefressen“. Da in der Regel schwache und kranke Tiere erbeutet werden, leistet der Wolf sogar seinen Beitrag zur Gesunderhaltung der Populationen.

Das negative Raubtier-Image braucht eine andere große Wildtierart nicht zu fürchten, die sich ebenfalls zur Rückkehr nach Deutschland anschickt: der Elch. Die größte lebende Hirschart auf Erden war in Deutschland einst fast flächendeckend heimisch. Nach den Vorstellungen der römischen Eroberer machten die Germanen seinerzeit Jagd auf den Elch, indem sie die Bäume ansägten, an die sich der Großhirsch zum Schlafen anlehnte und mit denen er dann umfiel. Bejagt wurde das Tier mit den eindrucksvollen Schaufeln tatsächlich so intensiv, daß es ab dem 17. Jahrhundert auf deutschem Boden schließlich nur noch in Ostpreußen vorkam.

Seit Ende der neunziger Jahre wechselten immer wieder einzelne Exemplare von der Tschechei nach Bayern oder von Polen – dort gibt es eine stabile Population von schätzungsweise 1.500 Tieren – in die nordöstliche Lausitz. Gerade der wasserreiche Spreewald bietet ideale Habitatbedingungen für den Elch, der sich bevorzugt in Sumpfwäldern aufhält. Seit 2007 existiert so in der Lausitz eine Population von acht bis neun Tieren, darunter zwei Kühen. Grund genug, daß man sich beim Landesumweltamt Brandenburg Hoffnung macht, die großen Hirsche könnten sich dort dauerhaft etablieren.

Wolf, Elch und Luchs: Ihre Rückkehr nach Deutschland ist durchaus ein Indiz für die – auch dank konsequentem Natur- und Umweltschutz – gestiegene Lebensqualität der hiesigen Naturregionen. Und auch diese Arten gehören zum deutschen Wald wie der Rothirsch oder die Wildsau.

Zucht- und Auswilderungsprojekt Bayern: www.bund-naturschutz.de/projekte/wildkatzen/zucht-und-auswilderung.html

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