© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/11 / 19. August 2011

Blick in die Medien
Verpatzter Start: Wer braucht Openleaks?
Ronald Gläser

Daniel Domscheit-Berg ist genauso eine narzistische Person wie der Wikileaks-Gründer Julian Assange, von dem sich Domscheit-Berg aus genau diesem Grund losgesagt hat. Sein Verhalten war von Anfang an zwielichtig. Egal, wie man zu Assange steht: Es war von Domscheit-Berg schlicht unanständig, sich just in dem Moment von Assange trennen, als dieser wegen der veröffentlichten US-Diplomatenpost unter großen Druck geriet.

Jetzt wollte Domscheit-Berg das Jahrestreffen des Chaos Computer Clubs (CCC) dazu nutzen, seine neue Alternativ-Netzseite vorzustellen. Auf Openleaks sollen genauso wie auf Wikileaks Geheimnisse eingespeist und damit der Öffentlichkeit preisgegeben werden. Doch die Seite war noch nicht fertig programmiert, die Präsentation ein Flop. Peinlich für ihren spiritus rector.

Es kam noch schlimmer für den Ex-Wikileaks-Sprecher: Er hatte sich mit seinem Auftritt beim CCC erhofft, daß die Hackerszene Openleaks mit einer Art Gütesiegel versieht. Aber das ist nicht geschehen: Vielmehr haben die Hacker ihn prompt ausgeschlossen. Ihr Wortführer, Andy Müller-Maguhn, hat Domscheid-Berg in einem Spiegel-Interview obendrein der Lüge bezichtigt. Damit ist Domscheit-Berg so ziemlich überall unten durch.

Erste Zweifel an der Seriosität Domscheit-Bergs waren aufgekommen, als dieser ankündigt hatte, Openleaks werde mit Gewerkschaften und Umweltorganisationen zusammenarbeiten. Wie kann eine Institution, die der Überwachung der „Mächtigen“ dienen will, sich mit ihnen gleichzeitig gemein machen? Kein Wunder auch, daß nur zwei kleinere – und zwar ganz linke – Zeitungen mit Openleaks kooperieren mochten: die taz und der Freitag.

„Openleaks ist keine unabhängige Enthüllungsplattform, sondern ein linkes Projekt.“

Was die Welt wirklich braucht, das sind unabhängige Medien, die sich der Wahrheit verpflichtet fühlen. Früher ging „leaken“ (also „Geheimnisse durchsickern lassen“) so: Jemand steckte ein Dokument in einen Umschlag und schickte ihn einer Zeitung, die dann darüber berichtete. Durch das Internet und Wikileaks wurde die Möglichkeit geschaffen, Informationen der gesamten Weltöffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Wikileaks sorgte zudem dafür, daß wichtige Zeitschriften wie New York Times, Guardian, Spiegel, Le Monde und El País groß darüber berichteten. Dieses Modell beruht zwar auf einer Bevorzugung der dahinterstehenden Medienkonzerne, aber so ist zumindest eine große Aufmerksamkeit sichergestellt.

Openleaks hingegen ist keine unabhängige Enthüllungsplattform, sondern ein durch und durch linkes Projekt. Es ist nicht schade, daß die Seite aus technischen Gründen noch immer nicht funktioniert.

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