© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/11 / 19. August 2011

Lockerungsübungen
Soziale Entmischung
Karl Heinzen

Jüngsten Umfragen zufolge haben die Haushaltsprobleme einiger Staaten des Euro-Raums bei 71 Prozent der Deutschen das Vertrauen in die Gemeinschaftswährung schwinden lassen. Die von den Medien als Thriller aufbereiteten Verhandlungen des US-Parlaments über eine Anhebung der Verschuldungsgrenze nährten überdies bei nicht wenigen Bürgern unseres Landes den Verdacht, daß eine globale Finanzkrise dramatischen Ausmaßes bevorstehen könnte. Es ist daher nicht verwunderlich, daß sogar Wohlhabende, denen es nicht an Erfahrungen im Umgang mit Vermögen mangelt, eine gewisse Verunsicherung ergriffen hat. Dadurch eröffnen sich allerdings auch Chancen für jene, die den Überblick über volkswirtschaftliche Zusammenhänge wahren und sich nun die Irritation von Anlegern zunutze machen können.

Deutliche Spuren hat diese Stimmung am Immobilienmarkt hinterlassen. Wohnungen in guten Lagen gelten als eine solide Anlage, mit der sich Inflationsgefahren nahezu ausschließen lassen. Die Nachfrage nach derartigen Objekten ist in den einschlägigen Metropolen sprunghaft gewachsen, und Verkäufer können sich darüber freuen, daß auch phantasievolle Preisvorstellungen Interessenten nicht abschrecken. Unter Spekulanten macht sich bereits die Hoffnung breit, es mit einer Blase zu tun zu haben, in der allein die Erwartung weiterer Wertsteigerungen die Nachfrage anheizt.

Es wäre vernünftig, Bezieher kleiner Einkommen aus den Städten zu verdrängen.

Allerdings gibt es wohl auch soziale Gründe für die Hausse am Immobilienmarkt. Vermögende zieht es zunehmend in die großen Städte, da sie hier kürzere Wege zu ihrem Arbeitsplatz, eine bessere Anbindung an Verkehrsnetze sowie vielfältigere Einkaufsmöglichkeiten und gediegenere Freizeitangebote vorfinden. Dieser Trend könnte zu einer sozialen Entmischung führen, die den urbanen Raum stärkt: Je mehr Wohlhabende in einer Metropole leben, desto größere Beträge werden von privater Seite in den Erhalt und die Modernisierung von Bausubstanz investiert. Darüber hinaus würde der volkswirtschaftlichen Vernunft Rechnung getragen, wenn es gelänge, die Bezieher kleiner Einkommen aus den Städten zu verdrängen. Da sie weniger verdienen, ist ihre Zeit geringer zu bewerten. Längere Fahrtwege zu ihren Arbeitsplätzen sind ihnen zuzumuten, während sie bei den Leistungsträgern unserer Gesellschaft eine Verschwendung darstellen.

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