© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/11 / 19. August 2011

Neue Schulden auf Kosten anderer
Euro-Bonds: Gemeinsame Anleihen der Mitgliedsländer sollen die Währungsunion retten / Milliardenschwere Zusatzlasten für Deutschland
Marco Meng / Jörg Fischer

Gemeinsame Staatsanleihen aller Euro-Länder, die von einer noch zu gründenden EU-Schuldenagentur angeboten werden müßten, sollen die ultimative die Antwort auf die Euro-Krise sein. Denn kaum ein Investor will mehr zu einem bezahlbaren Zinssatz Staatspapiere aus den überschuldeten EU-Südländern kaufen, solange das Risiko eines Kapitalverlusts besteht. Die Europäische Zentralbank (EZB) kauft darum Papiere von Schuldnerländern, der Euro-Rettungsfonds wird stetig erhöht, um die Kreditzinsen für Pleitekandidaten niedrig zu halten.

Gefährliches Erpressungspotential

Abhilfe sollen Euro-Bonds bringen. Da diese im EU-Vertrag von Lissabon nicht vorgesehen sind, wären erhebliche Änderungen nötig, auch in den nationalen Gesetzen – aber vor zwei Jahren glaubten auch noch viele an die No-bailout-Klausel. Seit 2008 wächst die Differenz (Spread) zwischen den Zinsen, die starke Euro-Staaten für ihre Schulden zahlen müssen, und denen, die schwache Länder bieten müssen.

Deutschland bietet etwa 2,5 Prozent, Italien und Spanien fast sechs Prozent, Griechenland und Portugal müßten zweistellige Zinssätze bieten. Pleitekandidaten sollen sich durch Euro-Bonds wieder zu moderaten Konditionen Kredite besorgen können. Da dann auch die solideren Staaten mit haften, sinkt der Spread. Der Nachteil: Euro-Bonds könnten das Sparen für Athen & Co. noch unattraktiver macht. Das Prinzip „Kein Staat übernimmt die Schulden des anderen“ (No-bailout) würde vollends über den Haufen geworfen.

In kleinem Umfang existierten Euro-Bonds bereits, aber nur für einzelne Investitionsprojekte oder Notsituationen, etwa nach Erdbeben. Die neuen Euro-Bonds wären unbefristet und hätten ein Volumen von etwa fünf Billionen Euro. Um sie durchzusetzen, werden „strenge Auflagen“ versprochen. Dabei war der Euro ja auch 1999 an „strenge Auflagen“ geknüpft, die allerdings von den meisten Ländern in der Praxis ignoriert wurden.

Ein von den Ökonomen Jakob von Weizsäcker und Jacques Delpla entwickeltes Euro-Bond-Modell sieht beispielsweise vor, die Staatsschulden der Euro-Staaten in zwei Tranchen aufzuteilen, den „Blue Bond“ und den „Red Bond“. Der „Blue Bond“ beliefe sich bis zur Maastricht-Schuldengrenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) eines Euro-Staates. Er soll gemeinsam von allen Euro-Staaten emittiert und gesamtschuldnerisch verbürgt werden. Den übersteigenden Rest (60+) ihres Finanzbedarfs müßten die jeweiligen Länder in alleiniger Verantwortung über „Red Bonds“ decken. Sie wären deshalb weiterhin aus Eigeninteresse an solider Haushaltspolitik interessiert. Für die „Red Bonds“ bestünde bei Weizsäcker und Delpla keine gemeinsame Haftung; sie würden weiterhin in nationaler Verantwortung des jeweiligen Euro-Staats emittiert. Für diese Anleihen soll es darum von vornherein Umschuldungsklauseln und ausdrücklich keine internationale Haftung geben. Zudem dürften Banken „Red Bonds“ nicht bei der EZB als Sicherheit einreichen, sie müßten sie mit höherem Eigenkapital unterlegen. Ein Ausfall dieser Anleihen könnte somit – in der Theorie – keine systemische Krise im Finanzsystem auslösen. Doch gerade diese „Red Bonds“ ließen sich indes derzeit für schwache Länder nicht einführen. Was würde durch Euro-Bonds erreicht? Länder wie Deutschland müßten – wegen der zusätzlichen Bürgschaften – höhere Zinsen auf ihre Schulden zahlen. Modellrechnungen ergaben 15 bis 47 Milliarden Euro zusätzliche jährliche Zinslasten für Deutschland (Zusatzausgaben von fünf bis 15 Prozent des Bundeshaushalts). Länder mit schlechterer Bonität würden bei den Zinskosten hingegen entlastet.

EU-Wirtschaftsregierung ist der Weg in den Zentralstaat

Das Hauptproblem von Euro-Bonds besteht darin, daß Mitgliedsstaaten ihre Schulden auf Kosten anderer ausdehnen können. Die von Merkel und Sarkozy nun in Paris vorgeschlagene „Schuldenbremse“ für alle Euro-Staaten dürfte wie die No-Bailout-Klausel nur wenige Jahre Bestand haben. Länder wie Italien mit Schulden von 120 Prozent des BIP müßten zudem noch viel höhere Zinsen bezahlen als heute. Die Folge davon wäre, daß sie Druck ausüben würden, die 60-Prozent-Grenze anzuheben.

Da alle haften, müßten auch alle bei der Schuldenaufnahme involviert sein. Anders als der Rettungsfonds EFSF bieten Euro-Bonds noch weniger Kontrollmöglichkeiten. Finanzschwache Länder könnten die Ausgabe immer neuer Euro-Bonds mit der Drohung erpressen, sonst alte Schulden aus den „Blue Bonds“ nicht zurückzuzahlen. Um das zu verhindern, müßte also indirekt und direkt in die nationale Autonomie der Finanzpolitik eingegriffen werden. Das Recht zur Verschuldung müßte an eine EU-Wirtschaftsregierung abgetreten werden, die jetzt ebenfalls in Paris verabredet wurde. Die Euro-Zone mutierte so zum Zentralstaat – ob der von Helsinki bis Athen akzeptiert würde?

Das „Blue Bond“-Konzept von Jacques Delpla und Jakob von Weizsäcker im Internet: http://library.fes.de/pdf-files/id/ipa/08209.pdf

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