© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/11 / 19. August 2011

Finanzinvestor kritisiert das deutsche Zögern in der Euro-Politik
Ein neuer Mauerbau
Karl Albrecht Schachtschneider

Nur Deutschland kann die Dynamik des europäischen Zerfalls umkehren“, dozierte George Soros vorige Woche im Handelsblatt. Es müsse, wie die anderen Länder mit AAA-Rating einem „wie auch immer gearteten Euro-Bond-Regime zustimmen“. Soros’ „Bundesstaat Europa“ müßte aber erst verfaßt werden – durch Referenden aller Unionsvölker. So weit wird es nicht kommen.

Die Finanzelite aber drängt die politische Klasse zur uneingeschränkten Haftung der Unionsländer für staatliche Anleihen. Die einen würden sich dann auf Kosten der anderen bedienen. Doch die Haftungsgemeinschaft wird auch die starken Volkswirtschaften schnell ruinieren. EU-Kommission und Rat müßte die Finanzpolitik völlig übertragen werden. Das ist das Postulat einer Wirtschaftsregierung, das auch Soros wiederholt. Seine Analyse der Euro-Rettungspolitik, des „halbherzigen Europas“, ist ökonomisch nicht falsch. Die Maßnahmen vergrößern den Schaden und verzögern die Politik der praktischen Vernunft: die Beendigung des Euro-Abenteuers. Die Drohung mit der „Großen Depression“, unkalkulierbaren Verlusten fürs Bankensystem und „der Existenzkrise für Europa“ darf freilich nicht fehlen, wenn Soros & Co. ihre Interessen verteidigen. Die EU ist nicht Europa, aber Euro-Bonds sind das Ende der Demokratie und der Haushaltshoheit, des Kerns des Parlamentarismus. Ohne wirtschaftliche Eigenverantwortung der Völker ist Europa nicht europäisch. Das No-bailout-Gebot ist deren Logik.

Das Maastricht- und das Lissabon-Urteil haben das anerkannt. Das zu erwartende Verfassungsgerichtsurteil zur Griechenlandhilfe und zum Rettungsschirm wird diese Erkenntnis nicht umwerfen. Ein Europa der globalen Finanzwirtschaft kann nur diktatorisch sein, schon wegen der großen Zahl von Menschen und deren kultureller Heterogenität. Die Mauer um den Euro – die Diktatur der EU – ist somit die eigentliche Empfehlung von Soros, und das zum 50. Jahrestag des Berliner Mauerbaus.

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