© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/11 / 19. August 2011

„Deckt die Bullen mit Steinen ein“
Aufruf zur Gewalt: Die Polizei ermittelt gegen den linksextremistischen Jugendpfarrer Lothar König aus Jena
Henning Hoffgaard

Die Empörung in Thüringen ist groß. Die Evangelische Kirche spricht von einem „Skandal“, der Jenaer Bürgermeister Albrecht Schröter (SPD) von einer „unerhörten Aktion“ und die Grünen von einer „mehr als fraglichen“ Polizeiaktion. Was war passiert?

Mitte vergangener Woche durchsuchten Polizisten aus Sachsen die Wohnung des Jenaer Jugendpfarrers Lothar König. Anlaß sind Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Dresden wegen „aufwieglerischen Landfriedensbruchs“ gegen König. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte der JUNGEN FREIHEIT, aus einem von König gefahrenen Lautsprecherwagen soll während eines Aufmarsches linker Gruppen am 13. Februar in Dresden anläßlich einer Demonstration der „Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland“ zum Gedenken an die Bombardierung der Stadt im Jahr 1945 mehrfach zu Gewalt gegen Polizisten aufgerufen worden sein. So sei unter anderem skandiert worden: „Deckt die Bullen mit Steinen ein“. Zudem habe König versucht, ein Polizeifahrzeug abzudrängen und sich im nachhinein der Strafverfolgung entzogen.

Es ist nicht das erste Mal, daß der Theologe ins Visier der Justiz gerät. Gegen den 57jährigen wurde in der Vergangenheit auch schon wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung ermittel. König selbst bestreitet gegenüber der taz alle Vorwürfe. Er habe sich lediglich an „friedlichen Protesten“ beteiligt. Die Staatsanwaltschaft reagiere deswegen so „überzogen“, weil er den sächsischen Behörden im Spiegel „SED-Methoden“ vorgeworfen habe, glaubt König.

Der Leiter der „Jungen Gemeinde“ in Jena führt die Ermittlungen auch auf sein „jahrelanges Engagement“ gegen den „Rechtsextremismus“ zurück. Als Dank dafür verlieh ihm die linksextreme Szene schon vor Jahren das Prädikat „Anti-Nazi-Pfarrer“. Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft ist Königs Gemeinde Anlaufstelle für gewaltbereite Jugendliche aus der linksextremen Szene. Bei früheren Razzien fand die Polizei Graffiti-Utensilien, Farbbeutel und auch Drogen. Besonders die in Jena ansässigen Studentenverbindungen sahen sich in der Vergangenheit immer wieder als Opfer von Linksextremisten, die sich nicht zuletzt auch in Königs Jugendgemeinde organisieren sollen. Der Pfarrer bestreitet dabei keineswegs die politisch klar „antifaschistische“ Ausrichtung seiner Arbeit. Die Kritik der, wie er sagt, „faschistoiden“ Burschenschaften ist für ihn nicht nachvollziehbar.

Grüne stellen Anfrage im Bundestag

Angesichts solcher Verbindungen verwundert es nicht, daß sich schon kurz nach der Hausdurchsuchung rund 250 Anhänger der linken Szene zu einer „Solidaritätsdemo“ versammelten. Vorneweg die vom Verfassungsschutz beobachtete „Rote Hilfe“. Doch auch in der Politik kann sich der für die Grünen im Stadtrat sitzende „Antifa-Pfarrer“ auf zahlreiche Unterstützer verlassen. Seine Tochter, Katharina König, gegen die ebenfalls wegen Landfriedensbruchs ermittelt wird, sitzt für die Linkspartei im Thüringer Landtag. Und selbst der Thüringer SPD-Landesvorsitzende Christoph Matschie läßt es an Solidaritätsbekundungen nicht fehlen. „Zivilgesellschaftliches Engagement“ dürfe nicht kriminalisiert werden, warnte der Sozialdemokrat und forderte eine umfassende Aufklärung der Geschehnisse. Mittlerweile erreicht die Diskussion auch den Bundestag. In einer Kleinen Anfrage verlangen die Grünen von der Bundesregierung Auskunft über die Vorgänge. Zwar ist der Polizeieinsatz Ländersache, dennoch erhofft man sich im Umfeld Königs davon wohl eine weitere Skandalisierung der Durchsuchung.

Die sächsischen Behörden weisen indessen jede Kritik an ihrem Vorgehen zurück. Einsätze in anderen Bundesländern seien etwas „völlig Normales“, zudem sei die Thüringer Polizei vorab über den Einsatz informiert worden, sagte ein Sprecher des Innenministeriums der JF. Daß Stadtrat König über die aktuellen Ermittlungen stürzt, dürfte unwahrscheinlich sein. Die Kirche sieht jedenfalls keine Gründe, sich von ihrem Pfarrer zu distanzieren. Obwohl „Gewalt keine Lösung sei“, wie eine Sprecherin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland der JF sagte, stehe man weiter hinter dem Jugendpfarrer.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen