© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/11 / 12. August 2011

Umwelt
Der giftige Kontinent
Michael Howanietz

Umweltschützer bezeichnen das Phänomen bereits als „achten Kontinent“. Gemeint sind damit die gigantischen Ansammlungen von Plastikmüll in den Ozeanen. Und die bislang weltweit hergestellte Menge an Kunststoffen reicht aus, um unseren gesamten Planeten mehrfach zu mumifizieren. Ein interdisziplinäres Treffen von Meereswissenschaftlern in Oxford kam kürzlich zu dem Ergebnis, daß die Ausrottung von Meerestieren und -pflanzen durch die Verschmutzung der Ozeane so dramatisch wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit sei. Eine wesentliche Ursache dafür ist die Plastifizierung maritimer Lebensräume. Greenpeace schätzt, daß jährlich eine Million Seevögel und 100.000 Meeressäuger qualvoll zugrunde gehen, weil sie sich verheddern oder die treibenden Plastikteile mit Nahrung verwechseln und in der Folge ersticken oder verhungern, da Partikel unterschiedlichster Größe den Magen verschließen.

Das Verhältnis von Plastik und Plankton in den Weltmeeren liegt mittlerweile bei sechs zu eins. Die Greenpeace-Schätzung scheint also nicht übertreiben. Plastik-Törn statt „Whale Watching“? Das ist wohl keine zukunftsfähige Urlaubsalternative. Die Problematik müßte also an der Wurzel angepackt werden. Quantitativ, da pro Jahr alleine in der EU 60 Millionen Tonnen Kunststoffe hergestellt werden, weltweit sind es 250 Millionen Tonnen. Und qualitativ, da besonders giftige und robuste Kunststoffarten, die sich erst nach Jahrhunderten auflösen, entsprechende Langzeitverheerungen anrichten. Auch beim Menschen, in dessen Blut sich ebenfalls Plastikpartikel nachweisen lassen. Widerstand gegen entsprechende Vernunftlösungen und Selbstschutzprogramme kommt naturgemäß von der Industrielobby, die jährlich satte 800 Milliarden Euro mit ihren unbedenklichen bis (all)gemeingefährlichen Produkten umsetzt.

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