© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/11 / 12. August 2011

Frisch gepresst

Absichtsvoll. Das berühmt-berüchtigte Dementi Walter Ulbrichts auf der Pressekonferenz am 15. Juni 1961, niemand hege die Absicht, eine Mauer zu errichten, entpuppte sich am 13. August als Freudsche Fehlleistung. War es doch Ulbricht selbst, der hier den geplanten Mauerbau erstmals öffentlich zur Sprache brachte. Tatsächlich hatte der SED-Chef seit Stalins Tod gefordert, die Grenze zu schließen, und war damit der eigentliche Initiator der „Grenzsicherung“. Die US-Historikerin Hope M. Harrison relativiert die bisherige Historiographie, der zufolge alle maßgeblichen Entscheidungen im Kalten Krieg ausnahmslos in Washington und Moskau getroffen wurden. Paradoxerweise hatte die DDR ihre politische und wirtschaftliche Schwäche gegenüber Chrustschow als Stärke ausgespielt. Minutiös schildert Harrison die Zeit von 1953 bis Herbst 1961 – eingedenk der Preisgabe Ost-Berlins durch William Fulbright, den einflußreichen Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses des US-Senats, der am 30. Juli 1961 das Recht der DDR zur Grenzschließung rechtfertigte, was das Neue Deutschland am 3. August auf der Titelseite rühmte. (cd)

Hope M. Harrison: Ulbrichts Mauer. Wie die SED Moskaus Widerstand gegen die Mauer brach. Propyläen Verlag, Berlin 2011, gebunden, 512 Seiten, Abbildungen, 24,99 Euro

 

Innenmauer. Authentische Bilder der Berliner Mauer bekommt, wer die unter Denkmalschutz stehende „East Side Gallery“ vergißt und lieber auf altes Schwarz-weiß zurückgreift. Bis 1989 spiegelte das trostlose Grau des „antifaschistischen Schutzwalls“ die Tristesse der DDR wider, war hier doch die Welt zu Ende. Ein sehnsüchtiger Blick gen Westen, wie ihn der Fotograf Harald Hauswald vor dem Brandenburger Tor festgehalten hatte, war selten – vor allem, weil Aufnahmen von der Grenze verboten waren. Dementsprechend existieren kaum Bildmotive des Eingemauertseins. Dabei verkörpern sie stärker als jedes andere Dokument die damalige Realität der eingesperrten Bevölkerung. Daß diese vor allem in der Verdrängung bestand, beschreibt ein luzider Begleittext Lutz Rathenows im Band „Weltende – Die Ostseite der Berliner Mauer“, der „mit heimlichen Fotos“ von Detlef Matthes und fünf weiteren Essays aufwartet. Bestechend an Matthes’ Bildern sind gerade deren Flüchtigkeit, Leere und Unschärfe. (cd)

Gerhard Sälter, Tina Schaller, Anna Kaminsky (Hrsg.): Weltende – Die Ostseite der Berliner Mauer. Ch. Links Verlag, Berlin 2011, broschiert, 108 Seiten, Abbildungen, 14,90 Euro

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