© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/11 / 12. August 2011

Jeder soll nach seiner Fasson selig werden
Euro-Alternativen: In einer Wechselkursunion könnte jedes EU-Land die ihm gemäße Wirtschafts- und Währungspolitik machen / Rückkehr zum alten Ecu-System
Wilhelm Hankel

Die Agonie des Euro könnte das Vorspiel für ein anderes, besseres Eu-ropa werden. Aber nicht mit Politikern, die wie Drogensüchtige an ihrem „Stoff“ festhalten. Sie sind zwar ebenso hilf- wie ratlos, aber weigern sich zur Kenntnis zu nehmen, in welche Ausweglosigkeit sie ihre Staaten und Europa insgesamt manövriert haben. Man weiß nicht, was ihnen mehr abgeht: die Lernfähigkeit oder der Realitätssinn. Einst sagte der Wirklichkeitssinn deutschen Politikern, daß sich der Abschied von der D-Mark und der Übergang zur Europäischen Währungsunion (EWU) nur vermitteln ließe, wenn der neue Euro „so stabil sei und bleibe wie die Mark“ (Theo Waigel). Diese Bedingung für den Eintritt in die EWU hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem Maastricht-Urteil (2 BvR 2134, 2159/92) vom Oktober 1993 gestellt. Werde diese Geschäftsgrundlage verletzt, könne jede Bundesregierung die EWU wieder verlassen – so unmißverständlich das höchste deutsche Gericht.

Damit ist die Bundesregierung (ob sie es begreift oder nicht) zum Garanten der Euro-Stabilität gegenüber ihren Bürgern geworden. Sie steht in der Pflicht, die Stabilität des Geldwertes über den Erhalt der Währungsunion zu stellen! Sollte diese gefährdet werden, haben Deutschlands Einkommensbezieher und Vermögensbesitzer (Arbeitnehmer, Sparer, Investoren, Rentner) einen Anspruch darauf, daß ihre Regierung sie vor dem Geldwertverfall und seinen Folgen schützt. Darauf haben die „Fünf Professoren“, zu denen ich gehöre, anläßlich der Griechenlandhilfe und der sogenannten Euro-Rettungsschirme 2010 erneut vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt. Die Anhörung fand leider erst vergangenen Monat statt (JF 28/11). Im September will Karlsruhe seine Entscheidung verkünden.

Die Währungsunion, ein Konglomerat historisch unterschiedlich geprägter und strukturell nicht zueinander passender Länder ist definitiv gescheitert. Sie läßt sich weder durch Wegreden oder Schönfärberei der Probleme noch finanztechnische Tricks (Eurobonds, Umschuldungen) retten. Es gibt nur einen Weg aus der Europa drohenden Schulden-Katastrophe. Die folkloristisch ebenso anziehenden wie ökonomisch rückständigen Euro-Partner müssen lernen, daß ihnen weitere Kredite und deren Verlängerung nicht helfen.

Was ihnen fehlt, sind Steuereinnahmen und Ersparnisse. Die gewinnen sie nur, wenn sie die Währungsunion verlassen und sich an Reformen machen: Unterbesteuerung und Steuerbetrug abstellen, die Struktur ihrer Wirtschaft verbessern. Es ist das gemeinsame Versäumnis von EU, Europäischer Zentralbank, den Regierungen und der Rating-Agenturen, weder den strukturellen Hintergrund der heutigen Probleme noch die heraufziehenden Gefahren erkannt und rechtzeitig dagegen gehalten zu haben.

Inflation und Staatsbankrotte lassen sich nur noch vermeiden, wenn die EWU entweder auf die stabilen Partner beschränkt oder zu einer Wechselkursunion umgebaut wird, wie sie in Gestalt des Europäischen Währungssystems (EWS) von 1979 bis 1998 bestand und bezüglich Osteuropa besteht. Der Euro würde ein zweiter Ecu (Rechnungseinheit des EWS). In diesem anderen, besseren Europa könnte jedes EU-Land dann nach seiner Fasson selig werden.

 

Prof. Dr. Wilhelm Hankel war Leiter der Währungsabteilung des Wirtschaftsministeriums und Chef der Bank- und Versicherungsaufsicht. Sein neuestes Buch, „Geldherrschaft: Ist unser Wohlstand noch zu retten?“, veröffentlichte er zusammen mit dem US-Ökonomen Robert Isaak.

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