© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/11 / 12. August 2011

Grüße aus Bern
Sauber, sauber!
Frank Liebermann

Wenn ich von meinen Heimatbesuchen aus Oberschwaben in die Schweiz zurückkehre, fällt mir vor allem immer eines auf: die Sauberkeit.

Es wird ja immer behauptet, die Schwaben hätten die Kehrwoche erfunden. Seit ich in der Schweiz lebe, bin ich mir da nicht mehr so sicher, obwohl hier das Kehren „Wischen“ heißt. Sauberkeit ist für den schweizerischen Volkscharakter noch typischer als für den Deutschen. Wer das nicht glaubt, soll einfach mal durch eine typisch Schweizer Fußgängerzone laufen.

Nun durfte ich folgende Szene aus einem Straßencafé heraus gemeinsam mit einem Arbeitskollegen beobachten: Ein Punk – in der Schweiz gibt es die noch häufiger – spazierte mit einem größeren undefinierbaren Mischlingshund durch die Fußgängerzone von Bern.

Wie es halt so sein muß, überkam den Hund ein Bedürfnis und er verrichtete sein großes Geschäft leicht abseits von der Hauptstraße. Der Punk stand mit stoischer Gelassenheit daneben. Schnell bot ich meinem Begleiter eine Wette an. Wenn der Punk den Haufen mitnimmt, zahle ich die Rechnung, ansonsten er. Und siehe da: Hurtig wurde eine kleine Tüte aus der kunstvoll verzierten Lederjacke gezogen, mit einem eleganten Handstreich war der Schmutz beseitigt und das Tütchen in den nächsten Mülleimer befördert.

Blöderweise mußte ich meine Rechnung selber zahlen. Der Schweizer Landsmann wollte sich nämlich nicht auf die Wette einlassen, da ein solches Verhalten schließlich selbstverständlich sei und meine Vorurteile sowieso typisch deutsch und auf meine seltsamen politischen Ansichten zurückzuführen seien. Aber nun ja, was soll man auch in einem Land erwarten, in dem das Reinigungspersonal auf Straßen, in Zügen und Gebäuden meist gepflegter aussieht, als manche Spitzenköche in deutschen Restaurants.

Allerdings liegt ein schwerer Schatten auf der Schweiz. So ließ jüngst die Presseagentur AP verlauten, die Schweiz sei nur noch das zweitsauberste Land der Welt. Das hätten Wissenschaftler aus Yale festgestellt. Auf Platz eins liege Island und an dritter Stelle Costa Rica. Allerdings hielt sich der Aufschrei in der Schweiz in Grenzen. Schnell konnten sie den methodischen Fehler in der Studie entdecken: Die Daten wurden nämlich vor dem Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull im vergangenen Jahr erhoben. Damit war dann doch wieder alles sauber!

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