© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/11 / 12. August 2011

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Die Jugend geht von der Fahne
Marcus Schmidt

Selten werden den Bundestagsabgeordneten die Folgen ihres Handelns so unmittelbar vor Augen geführt wie bei der vom Parlament eilig durchgepaukten Aussetzung der Wehrpflicht. Kaum hatten Ende Juni die letzten Wehrpflichtigen die Kasernen verlassen und Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) die ersten freiwilligen Wehrdienstleistenden per Handschlag begrüßt, mehrten sich die Klagen über die Probleme der Bundeswehr, ausreichend Freiwillige zu rekrutieren.

Zur Ursachenforschung für die mangelnde Begeisterung, sich zum Dienst zu melden, sei den Parlamentarier der jetzt vorgelegte Jahresbericht der Jugend-offiziere der Bundeswehr empfohlen. Das Papier faßt die Erfahrungen und Beobachtungen der 94 Jugendoffiziere zusammen, die sie im vergangenen Jahr bei 7.350 Veranstaltungen unter anderem an Schulen gesammelt haben.

Aufgabe der Jugendoffiziere ist es,  die junge Generation über Sicherheitspolitik im allgemeinen und die Bundeswehr im besonderen zu informieren. Als häufig erste militärische Kontaktperson vieler Heranwachsender wird ihre Bedeutung in Zeiten der Freiwilligenarmee weiter wachsen. Und der Bericht macht deutlich, wie notwendig Aufklärung ist, denn die Jugendlichen wissen offenbar herzlich wenig über die Bundeswehr. Vor allem den Schülern an Haupt-, Real- und Mittelschulen wird ein spürbarer Mangel an Allgemeinbildung und grundlegendem Wissen zu politischen und sicherheitspolitischen Geschehnissen und Zusammenhängen attestiert. Das ist aus Sicht der Bundeswehr um so bedenklicher, als sie aus diesem Personenkreis den Großteil der freiwillig Wehrdienst Leistenden rekrutieren muß.

Dabei ist den Schülern nicht entgangen, daß sich der Charakter der Armee in den vergangenen Jahren grundlegend  geändert hat. „Die frühere Wahrnehmung des Soldaten als uniformierter Beamter mit guter Bezahlung bei wenig Aufwand ist verschwunden.“ Der Soldatenberuf werde mit Auslandseinsätzen und Gefahr für Leib und Leben in Verbindung gebracht. Und das ist, folgt man dem Bild, das der Bericht von der Jugend zeichnet, so gar nicht nach dem Geschmack der jungen Generation: „Es herrscht eine Konsumentenhaltung vor, aus der heraus der Staat als Servicebetrieb mit ‘Bringschuld’ dafür zu sorgen hat, daß man selbst seine Individualität ausleben kann“, heißt es in dem Bericht. Das allgemeine Motto scheine zu lauten: „‘Vollkasko – aber bitte ohne Selbstbeteiligung’.“ Mit Blick auf die Nachwuchsgewinnung zeichnet das Papier daher ein durchaus düsteres Bild. Die Haltung „Bundeswehr ja – aber ohne mich!“ gelte weiterhin und spiegele das Desinteresse vieler Jugendlicher gegenüber Staat und Gesellschaft wider, Verpflichtungen einzugehen.

Wenig Erfreuliches können die Parlamentarier, die der Bundeswehr die Nachwuchsprobleme eingebrockt haben, übrigens über ihren eigenen Berufsstand lesen. „Die Glaubwürdigkeit von Parteien und Politikern scheint sich auf einem sehr niedrigen Niveau zu befinden“, heißt es dazu lakonisch.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen