© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/11 29. Juli / 05. August 2011

Per Lokomotive ins Stahlgewitter
Die Kanonenbahn führte direkt an die Westfront
Hans Joachim Kessler

Rund 800 Kilometer mißt die Strecke der sogenannten „Kanonenbahn“, die von Berlin über Wetzlar, Koblenz und Trier bis Metz führte. Mit dem „Gesetz, betreffend die Aufnahme einer Anleihe in Höhe von 120 Millionen Talern zur Erweiterung, Vervollständigung und besseren Ausrüstung des Staatseisenbahnnetzes, vom 11. Juni 1873“ – dem „Kanonenbahngesetz“ – wurde der Bau der Bahn beschlossen.

Zur Finanzierung flossen Reparationsleistungen Frankreichs, stellte die Eisenbahnroute doch eine militärstrategisch wichtige Strecke zur Absicherung des Reichslandes Elsaß-Lothringen dar, das Frankreich im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 abgetrotzt wurde.

Heute dienen teilweise stillgelegte Streckenabschnitte als Wander- und Radwege, besonders reizvoll ist die Routenführung durch die überaus attraktive Landschaft des Eichsfeldes. Wer dem Gleisverlauf folgt, wird ob der idyllischen Umgebung zunächst kaum noch daran erinnert, daß diese Eisenbahnstrecke, ihrem Namen als Kanonenbahn entsprechend, zu Beginn des Ersten Weltkrieges für schnelle Militärtransporte beste Voraussetzungen bot.

Sie führte direkt in die „Stahlgewitter“ der Westfront. Und damit genau jene Orte, an denen diese unfaßbaren Schlachten tobten, die das militärische Szenarium von hundertausendfachem Tod und unvorstellbarer Verheerung der „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ schufen. Heute sieht man den schier endlosen Schlachtfeldern die Schrecken des Krieges kaum noch an. Vielleicht wird aber gerade an diesen Orten besonders deutlich, was einhundert Jahre Geschichte bedeuten. Und was es heißt, wenn das sattgrüne Gras des Vergessens wuchert.

Und genau aus diesem Grund empfehlen sich Besichtigungen solcher Erinnerungsstätten wie Ypern, Heuvelland, Wijtschate, Diksmuide und Langemarck. Spätestens beim Anblick der unfaßbar großen Soldatenfriedhöfe wird deutlich, was sich hinter dem Begriff „Materialschlacht“ und „Stellungskrieg“ eigentlich verborgen hat. Auf den Schlachtfeldern rund um Verdun mit seiner Festung, dem Beinhaus von Douaumont, den Schützengraben der Bajonette, der Höhe 304 und dem legendären Toten Mann hat der Erste Weltkrieg besonders tiefe Spuren hinterlassen.

Die authentischen Orte zu sehen, zu erleben, die großen Soldatenfriedhöfe zu betreten, vermittelt ein entscheidendes Kapitel deutscher Geschichte auf sehr ergreifende Weise. www.viatores-zeitreisen.de

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