© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/11 29. Juli / 05. August 2011

Wo August der Starke über die Neiße ritt
Via Regia: Die sächsische Landesausstellung erzählt die Geschichte der alten Handelsstraße nach, die einst Königreiche in West- und Osteuropa verband
Paul Leonhard

August der Starke war ein weltgewandter Mann. Und als sich der sächsische Kurfürst um die verwaiste Krone Polens bewarb, wußte er um die Tücken. Schließlich gab es auch einen französischen Kandidaten. Vor allem befürchtete der Wettiner, daß ihm bei den Krönungszeremonien am 15. Oktober 1697 in Krakau die alten Regalien des Königreiches Polen vorenthalten werden könnten.

Was ist aber eine Krönung ohne Krone, Zepter und Reichsapfel? Der Fürst ging auf Nummer sicher und ließ sich von Johann Friedrich Klemm eine vergoldete Krone anfertigen, die er mit auf die Reise nahm. Diese befindet sich als die einstige sächsisch-polnische Union noch heute im Besitz der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und ist gleichzeitig das Symbol der 3. Sächsischen Landesausstellung, die noch bis Ende Oktober im niederschlesischen Görlitz zu sehen ist.

Thema der Ausstellung ist die historische Handelsstraße „Via Regia“, die als Teil eines weitreichenden Wegenetzes den Osten Mitteleuropas mit dem Westen verband. Rund 4.500 Kilometer reichte sie in ihrer größten Ausdehnung von Kiew bis nach Santiago de Compostela. „Europa ist in seiner Eigenart, seinen Gemeinsamkeiten und seiner Vielfalt vom Mittelalter bis heute durch ständige Kulturtransferprozesse und Kulturbeziehungen entstanden“, schreibt der Leipziger Professor und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Landesausstellung, Winfried Eberhard.

Insbesondere Mitteleuropa war eine nach allen Himmelsrichtungen offene Kulturkontaktzone. Deren bis heute nachwirkenden Spuren sind die Ausstellungsmacher unter dem Titel „800 Jahre Bewegung und Begegnung“ nachgegangen. Die Geschichte einer Straße in ihrem historischen Kontext in einer Ausstellung darzustellen, sei eine „fast nicht umsetzbare Aufgabe“, sagt Generaldirektor Martin Roth, dessen Staatliche Kunstsammlungen Dresden genau diese Aufgabe als Dienstleister für die Landesregierung erledigen sollten und das auch mit Bravour taten.

Zur Verfügung standen rund sechs Millionen Euro, mit denen die alte Festungsanlage „Kaisertrutz“, eine Kanonenbastion aus dem 15. Jahrhundert, in ein modernes Museum verwandelt wurde. Die Schau wurde dem geschickt der Kubatur des denkmalgeschützten runden Gebäude angepaßt. „Wir haben die Straße rund gemacht, in fünf Themen unterteilt und sie auf den zur Verfügung stehenden fünf Etagen angepaßt“, sagt Projektleiterin Bettina Probst. Auch architektonisch ist eine interessante Lösung entstanden.

In den auf je einer Etage untergebrachten, streng gegliederten Themenwelten „Straße“, „Fundament“, „Markt“, „Mensch“ und „Ideen“ erfährt der Besucher alles Wichtige über die Geschichte der Via Regia. Das Bild des wandernden Menschen stand dabei Pate für das Bild der Straße als Organismus. Erzählt wird nicht nur von Königen und Fürsten, sondern vom ganzen prallen Leben, das sich einst auf der Königsstraße bewegte: Händler, Bettler, Handwerker, Soldaten, Pilger.

Damit sind die 1.800 Quadratmeter Ausstellungsfläche des „Kaisertrutzes“ dicht gefüllt. Dank begleitender Expositionen im benachbarten Nachkundemuseum und dem Schlesischen Museum erfährt der Besucher aber auch etwas über die großen Ochsenherden, die einst aus der Ukraine entlang der Via Regia bis zu den großen Viehmärkten in Schlesien und Thüringen getrieben wurden, von der Polnischen Schildlaus, die einst das Rot der Kardinalskäppchen garantierte, sowie von Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert.

Der Fokus der Landesschau liegt auf  jenem Teil der historischen Straße, die von Frankfurt am Main über Erfurt, Leipzig nach Görlitz und weiter über Breslau bis nach Krakau führte. 1252 wurde sie in einer Urkunde des Meißner Markgrafen Heinrich des Erlauchten erstmals als „strata regia“ erwähnt. Der Landesherr hatte eine empfindliche Niederlage in einem Streit mit Bischof Konrad I. von Meißen hinnehmen müssen und bestätigte auf Pergament dessen Recht an der Königsstraße und den damit verbundenen Zolleinnahmen.

Diese Urkunde ist eines von rund 450 Ausstellungsstücken von mehr als hundert Leihgebern aus ganz Europa: Gemälde, Skulpturen, Uniformen, Münzen, Karten, Pokale, Maße und Gewichte sowie Handwerksprodukte. Sogar ein Paar durchgelaufene Stiefel Napoleons, der ebenfalls mit seinen Soldaten auf der Via Regia unterwegs war, sind in einer Vitrine zu sehen. Sie alle sind Zeugnis dafür, daß „frappierend viele deutsche Erinnerungsorte europäische Überlagerungen aufweisen“, wie es Sachsens Kunstministerin Sabine von Schorlemer formuliert.

Zu diesen „Schnittmengen des europäischen Gedächtnisses“ gehört auch, daß ein Teil sehenswerter Görlitzer Kunstgegenstände auch bei dieser Ausstellung nicht zu sehen sind, weil sie noch immer als Kriegsbeute in polnischen Museen lagern. Das Thema der „kriegsbedingt verlagerten Kulturgüter“ möchte Projektleiterin Sabine Probst aber lieber nicht vertiefen. Und so behauptet sie kühn, daß die polnischen Partner die Stücke gern in Zgorzelec, der seit 1945 zu Polen gehörenden Oststadt von Görlitz, gezeigt hätten. Dort sei aber kein sicherheits- und klimatechnisch geeigneter Raum gefunden worden.

Die 3. Sächsische Landesausstellung „Via Regia. 800 Jahre Bewegung und Begegnung“ ist bis zum 31. Oktober in der Kaisertrutz Görlitz zu sehen. Öffnungszeiten: Täglich von 10 bis 18 Uhr, Freitag bis 21 Uhr. Eintrittspreise: 9 Euro, ermäßigt 7 Euro.

 www.via-regia.org  www.landesausstellung-viaregia.museum

Fotos: Via Regia: Die vom Europarat als Kulturstraße Europas anerkannte Handelsroute läßt sich auch heute noch bereisen; Georgsbrunnen am Görlitzer Obermarkt: Inmitten frischer Fassaden; Kaisertrutz: Die 1490 errichtete Bastion sollte die Via Regia sichern

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