© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/11 29. Juli / 05. August 2011

CD: Sternenreiter
Bündisches Liedgut
Sara Melchert

Die Jugendbewegung war einer der stärksten Impulse innerhalb der Lebensreformbewegung des Kaiserreichs. Ihr Glaube, daß Jugend nicht nur die Vorbereitung auf das Erwachsensein sei, sondern ein eigenes Recht beanspruchen müsse, ist mittlerweile zu einem Bumerang geworden, der als Jugendwahn auf uns zurückschlägt. Die Banalisierung des Selbstanspruchs ist dabei umfassend und wird auch innerhalb der noch heute existierenden Jugendbewegung nur von wenigen durchbrochen. Zu ihnen gehören ganz zweifellos Teile des Nerother Wandervogels. Ausdruck findet diese Haltung in der neuen (zweiten) CD von Sternenreiter, die sich unter dem Titel „Und wir träumen unter Sternen …“ dem bündischen Liedgut widmet.

In den 25 Liedern wird ein weiter Bogen aufgespannt. Darunter finden sich eigene Dichtungen von Hauke, dem Hauptverantwortlichen des Albums, der die CD gemeinsam mit Alexander eingesungen hat. Begleitet werden sie dabei immer von der Gitarre, manchmal von Violine und Violoncello. Die eigenen Liedtexte sind vor allem in Liedform gegossene Fahrtengedanken, die seit den Anfängen der Jugendbewegung ein unerschöpflicher Quell musikalischer Selbstvergewisserung sind. Daß Sternenreiter diese Tradition fortführt, ist ein wichtiges Verdienst und soll sicher nicht zu passivem Hörgenuß verleiten.

„Trinklied zur Nacht“ verbleibt textlich dabei etwas in den gewohnten Klischees vom „schweren roten Wein“ und „vergeßt all eure Sorgen“, zeigt aber in der Vertonung eine eingängige Melodie. Bei den Eigenkompositionen „Dem Frühling“ und „Lied eines Studenten“ verhält es sich ähnlich. Bei letzterem fällt auf, daß es offenbar schwierig ist, gleichzeitig die gegenwärtige Welt in Worte zu fassen und an die bündische Tradition anzuschließen, ohne das „Mägdelein“ zu bemühen. „Wandern muß ich, wandern will ich“ und „Fahrtenabschied“ wirken dagegen ursprünglicher und lassen noch den Schöpfungsprozeß erahnen. Bei „Neuruppiner Reiter“ hat sich Hauke von Oechelhaeusers Kriegsroman „Wir zogen in das Feld“ inspirieren lassen. Hier gelingt ihm der Brückenschlag zwischen den Generationen, formuliert als Klage über die Wucht des Krieges.

Viele der weiteren Lieder auf der CD sind Neuaufnahmen von bekannten und weniger bekannten Liedern, die so vor dem Vergessen bewahrt werden sollen; die Vertonungen eignen sich durch das schlichte Arrangement gut zum Nach- oder Mitsingen. Andere Lieder sind Vertonungen von Gedichten („Zwei Vöglein“ von Walter Flex“) und auch Lieddichtungen jüngeren Datums, wie „Namenlos sind“, das unter dem Eindruck eines grasüberwachsenen Soldatenfriedhofs auf einer Großfahrt durch Siebenbürgen entstanden ist.

Insgesamt bilden die Lieder einen möglichen Querschnitt durch das bündische Liedgut, das ja nicht nur aus den üblichen „Gassenhauern“ besteht, sondern darauf achten muß, die Vielfalt zu bewahren und möglichst zu ergänzen. Die Liedfolge der CD ist wohlbedacht, hebt mit Marsch in den Tag an, verzweigt sich dann in verschiedene Erlebnisse und Gedanken, um dann in der Abendruhe zu enden. Schließlich ist das beiliegende, zwanzigseitige Liederheft überaus schön gestaltet. Wer sich für bündisches Liedgut interessiert, wird daran seine Freude haben.

Sternenreiter: Und wir träumen unter Sternen   www.sternenreiter.com

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