© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/11 29. Juli / 05. August 2011

„Verdächtigungen bringen gar nichts“
Massaker in Norwegen: Europäische Rechtsparteien wehren sich gegen die Instrumentalisierung der Bluttat
Curd-Torsten Weick

Schnell legte die norwegische Fortschrittspartei (FRP), die Karten auf den Tisch. Ja, Anders Behring Breivik war einmal Mitglied der Partei. Er trat ihr 1999 bei und zahlte seinen letzten Mitgliedsbeitrag im Jahr 2004. Zwei Jahre später sei seine Mitgliedschaft gelöscht worden. Zudem sei der Täter von Oslo und Utøya zwischen 1997 und 2007 Mitglied der FRP-Jugend gewesen.

 „Ich fühle mich besonders traurig zu wissen, daß diese Person einmal Mitglied in unserer Partei war“, erklärte dann auch die Vorsitzende der Fortschrittspartei Siv Jensen und geißelte die „schrecklichen“ und „feigen Anschläge“. Sie stünden im Widerspruch zu den Prinzipien und Werten der norwegischen Gesellschaft und seien als Angriff auf die norwegische Demokratie und Nation zu werten.

Doch die klaren Worte und die Trauerbekundungen gegenüber den Opfern halfen wenig. Schnell wurden Zusammenhänge zwischen der verheerenden Bluttat und den in Europa erfolgreichen  islam- und einwanderungskritischen Parteien hergestellt. Ob Geert Wilders’ Partei für die Freiheit in den Niederlanden (PVV), die Fortschrittspartei, die österreichischen Freiheitlichen (FPÖ), der Vlaams Belang(VB), die Schweizerische Volkspartei (SVP), der Front National FN, die Wahren Finnen (PS), Schwedendemokraten (SD) oder die Dänische Volkspartei (DF) – alle werden nicht allein aufgrund der Erwähnung in dem mehr als 1.500 Seiten starken „Manifest“ des Täters von Rechtsextremismusexperten und politischen Gegnern als Wegbereiter und Stichwortgeber gehandelt.

So stellte der Genfer Sozialdemokrat Carlo Sommaruga seinem Ratskollegen Oskar Freysinger (SVP) via Facebook die Frage, ob er nun seine „Kontakte zu den antiislamistischen Netzwerken in Europa“ einstelle. In Frankreich bezichtigte die Bewegung gegen den Rassismus und für Völkerfreundschaft (MRAP) den Front National und die anderen Rechtsparteien in Europa, verantwortlich für die schlechte Stimmung gegenüber Einwanderern und Muslimen zu sein. Derweil thematisierte in Österreich der Klagenfurter Sozialpsychologe Klaus Ottomeyer die Verbreitung einer „verbalen, emotionalen Jagdstimmung“ gegen den Islam.

Die Angegriffenen sind entsetzt. Der Vlaams Belang kritisiert die „blinde Feindseligkeit“, FN-Chefin Marine Le Pen spricht von einem durchschaubaren Manöver der „Verleumdung“, und  der FPÖ-Vorsitzende Heinz-Christian Strache zeigt sich empört über den „primitiven und letztklassigen Versuch“, das „psychopathische Verbrechen und die unfaßbaren und grausamem Morde eines irren norwegischen Killers mit der österreichischen Innenpolitik in Verbindung bringen zu wollen“. Letzterem gibt der Staatssekretär im norwegischen Außenministerium Espen Barth Eide recht. „Ich bin Sozialdemokrat und in fast jedem Politikfeld gänzlich anderer Meinung als die Fortschrittspartei“, erklärte er gegenüber dem österreichischen Standard. Dennoch sei es „falsch“, die FRP „für diese Attacke verantwortlich zu machen“. Die Sozialdemokraten, so Eide weiter, würden dem FRP-Gedankengut „offen begegnen“. Verdächtigungen und Verbote brächten dagegen gar nichts.

Foto: Die Vorsitzende der norwegischen Fortschrittspartei Siv Jensen (M.), Erna Solberg, Vorsitzende der konservativen Partei Høyre (l.) und Trygve Slagsvold Vedum (Zentrumspartei) vor dem Osloer Dom: Gemeinsame Trauer um die Opfer der Terroranschläge vom vergangenen Freitag 

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen