© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/11 22. Juli 2011

Einfluß im Kampf der Weltanschauungen
Schlüsselwerke der Konservativen: Armin Mohler „Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932“ / JF-Serie 9
Karlheinz Weissmann

Mohler hat einmal davon gesprochen, daß er mit seinem Buch „Die Konservative Revolution in Deutschland“ den Versuch unternommen habe, seine Biographie in eine Dissertation umzusetzen. Tatsächlich kann man seinen teilweise abenteuerlichen Lebensverlauf zwischen 1942 (dem Zeitpunkt des illegalen Grenzübertritts von der Schweiz nach Deutschland, um sich freiwillig zur Waffen-SS zu melden) und 1949 (dem Zeitpunkt der Promotion) als Spurensuche zur Erfassung und Interpretation der nichtnationalsozialistischen und nichtdeutschnationalen Rechten in der Zwischenkriegszeit verstehen.

Diese von ihm als „konservativ-revolutionär“ apostrophierte Strömung, die in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg entstand und mit der Machtübernahme Hitlers endete (samt Vorläufern im Wilhelminismus, Nachläufern im NS-Regime), wandte sich gegen die liberale Demokratie ebenso wie gegen den Kommunismus, gegen den Monarchismus ebenso wie gegen den real existierenden Nationalsozialismus. Mohler hat in Anlehnung an eine Formulierung Hugo von Hofmannsthals von einer „Konservativen Revolution“ (KR) gesprochen, die zuletzt auf die Bildung einer „dritten Front“ zielte, infolge der „Machtergreifung“ Hitlers und der unüberbrückbaren Gegensätze zwischen NSDAP-Führung und KR aber scheiterte. Insofern konnte er ihre Anhänger auch als „Trotzkisten“ des Nationalsozialismus bezeichnen, ein schillernder Begriff, der bei Mohler ohne genauere Erläuterung blieb.

Tatsächlich liegt die Stärke seiner Argumentation auch nicht in solchen Generalisierungen, eher in der Charakterisierung der fünf Hauptgruppen der KR: der Völkischen, die von der Ewigkeit des „Volkes“ bzw. der „Rasse“ ausgingen, der Jungkonservativen, die eine „schöpferische Restauration“ (Rudolf Borchardt) betrieben, der Nationalrevolutionäre, die eine „organische Konstruktion“ (Ernst Jünger) anstrebten, der Landvolkbewegung, deren Führer ganz in dem Antagonismus Bauer-Bürger dachten und ähnlich desinteressiert an Theoretischem waren wie die Bündischen, deren Leitvorstellung der „Bund“ (vom Wandervogel über die Freikorps zur Jugendbewegung) selbst war.

Sie alle, so Mohler, verband der Kampf gegen die Weimarer Republik und den Versailler Vertrag. Aber es gab darüber hinaus noch etwas, das sie einte, nämlich die Absage an den christlichen Äon. Diese sehr weitgehende Behauptung begründete Mohler im zweiten Teil seiner Arbeit unter Verweis auf Nietzsches Lehre von der ewigen Wiederkehr, die ihn zu der Auffassung brachte, daß der christlichen Idee des linearen Zeitverlaufs eine heidnische des großen Zyklus entgegengestellt werden müsse. Allerdings spielte für diesen Zusammenhang weniger der unmittelbare Einfluß Nietzsches eine Rolle – der bei Mohler stark war – als die Lektüre einiger Texte Friedrich Georg Jüngers und die Interpretation des abendländischen Nihilismus durch Karl Löwith. Mohler bestritt jedoch dessen Behauptung, daß es kein Zurück in die pagane Mentalität gäbe.

Mohler ist auf die Idee des zyklischen Zeitverlaufs später nur noch gelegentlich zurückgekommen. Die Kritik, die er an diesem Punkt erfuhr, war von Anfang an massiv, dürfte ihn aber kaum überzeugt haben. Das gilt genauso für all jene Einwände, die darauf Bezug nahmen, daß eine konservative bzw. rechte Position per se christlich sein müsse. Diese Argumentation besaß zum Zeitpunkt des Erscheinens der „Konservativen Revolution“, Anfang der fünfziger Jahre, noch ein erhebliches Maß an Überzeugungskraft. Trotzdem hat Mohler an seiner Auffassung festgehalten und mit Genugtuung beobachtet, wie sie samt der These von der natürlichen Affinität zwischen Christentum und politischer Linker zunehmend an Plausibilität gewann.

Der eigentliche Kern seiner Darstellung – die Kapitel über die Hauptgruppen und die Bibliographie – hatte von Anfang an Respekt hervorgerufen. Was sicher dazu beitrug, daß er sich in den beiden folgenden Jahrzehnten der Kärrnerarbeit unterwarf, das Bücher- und Schriftenverzeichnis immer weiter zu ergänzen, so daß 1972 eine zweite Fassung erscheinen konnte, deren Umfang (bei unverändertem Textteil) auf mehr als das Vierfache angewachsen war. Zu diesem Zeitpunkt war sich Mohler bereits bewußt, zum „Gefangenen“ seines Erstlings geworden zu sein. Er hat deshalb den lange gehegten Plan einer vollständigen Überarbeitung zuletzt aufgegeben und sich mit einem Ergänzungsband für die Ausgabe von 1989 begnügt.

Zu dem Zeitpunkt galt er längst als der unbestreitbar beste Kenner der Materie „Konservative Revolution“und Schöpfer eines „Syntagmas“ (Stefan Breuer), dessen Erfolg sogar seine Gegner immer anerkannt haben und das sich nicht auf die Wissenschaft beschränkte, sondern – wie Mohler immer gehofft hatte – unmittelbaren Einfluß auf den Weltanschauungskampf nahm.

Der zweite Band des von Karlheinz Weißmann und Erik Lehnert herausgegebenen „Staatspolitischen Handbuchs“ (Edition Antaios, Schnellroda) behandelt 164 „Schlüsselwerke“ von 133 Autoren, von denen wir mit freundlicher Genehmigung zehn in einer JF-Serie vorstellen. In dieser Woche ist es das Standardwerk „Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932“ von Armin Mohler, erstmals 1950 bei Vorwerk in Stuttgart erschienen.

Armin Mohler: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932. Ein Handbuch. 6., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Ares Verlag, Graz 2005, gebunden, 643 Seiten, 49,90 Euro

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